DER MATZESTEIN

Auf dem Weg zum Weidenbachl ragt aus dem Boden ein ziemlich großer, spitzer, fast regelmäßig geformter Steinblock hervor, der Matzestein heißt.

In alten Zeiten zogen die Dorfkinder oft zu ihm hinaus und warfen kleinen Steine darauf, wobei sie riefen: "Matz, Matze, wohin?"

Trotz vieler Umfragen war niemandem im Dorfe diese Sage bekannt. Auch den Stein konnte ich bisher nicht entdecken oder erfragen. Die Sage ist angeführt in Junk, Naturführer für Tirol von Prof.Dr.K.W. Dalla Torre [43] und wird auch von Univ.Prof.Dr.Stolz in seinen Bemerkungen zum Inzinger Dorfbuch erwähnt. Zingerle berichtet im Archiv für Geschichte und Altertumskunde Tirols, Jahrgang I[44], Seite 305, daß sich ein solcher Brauch in vielen Gegenden Tirols erhalten hat. Man glaubt darin ein den Elben dargebrachtes Steinopfer zu erkennen.

Nach dem germanischen Volksglauben waren die Elben unterirdische Naturgeister und den Menschen freundlich gesinnt und hilfreich. In christlicher Zeit wurden sie als böse Dämonen und Gespenster mit dem Teufel in Verbindung gebracht.

Solche tirolerische Steinspenden an die Elben haben sich wohl ursprünglich auf die germanische Göttin Hulda bezogen und wurden später, als der Kultus erblaßte, auf die Saligen oder "Wilden Fräuleins" übertragen.

Die altgermanische Göttin Hulda, auch Holda, Berchta, Berchtl, Brechtl oder Stampa genannt, galt als eine holde, freundliche und wohltätige Frau, trat aber zuweilen auch als fürchterliches und abschreckendes Wesen auf. Sie gehörte zum "Wütenden Heer" und hielt mit Wodan ihren Umzug. In den Klöckel- und Rauhnächten durfte sich Frauen und Kinder nicht aus dem Hause wagen, sonst nahm sie der wilde Zug der Frau Berchta mit.

Manche Forscher betrachten es als erwiesen, daß Hulda in inniger Beziehung zu einem Steinkultus stand. Matze oder Mezze kam im Mittelalter als Frauenname vor. Die Matze und der Matzen wurden auch als Bezeichnung für einen ungesäuerten Brotfladen verwendet.


Quelle: Dorfbuch Inzing, Franz Pisch.

© Ernst Pisch.
Dieser urheberrechtsgeschützte Text wurde freundlicherweise von Ernst Pisch für SAGEN.at zur Verfügung gestellt.