Der Schatzhüter im Schlutterhof

Im Höttinger Gebirge liegt auch daß "Schlutterthal", in welchem ein Schatzhüter haust. Ein armer Knecht, Namens Franzl, der für die Höttinger Bauern Holz fällte, ging Abends nach dem Gebetläuten heim, und dachte bei sich selbst: Ach, wenn das Schlutterthaler Zwergl doch mir auch was gäbe!

Gleich darauf sah er seitwärts am Weg ein kleines Manndl sitzen, das ichäzete (ächzete) ganz erbärmlich, und da fragte der Franzl:

Was fehlt dir? -

Ach, ich hab' eine gar schwere Bürde, die ich kaum derschleppn kann, ich will dir s' schenken, aber wirf s' nit fort, bring s' heim. -

Der Knecht nahm die Bürde und fand sie sehr leicht; aber sie wurde, je weiter er ging, immer schwerer und schwerer, und zuletzt konnte er sie nicht mehr tragen. Er warf also den Sack ab, und öffnete ihn, zu sehen, was darin sei. Da war der Sack voll Roß-Kastanien? - Nein, etwas schlimmeres. Zornig schüttete der Franzl den Sack aus; es war am Höttinger Sandbühl neben dem sogenannten "großen Gott", und dachte: den Sack willst D' wenigstens mit nehmen. Dabei hörte er etwas; das wie seufzen und weinen klang. -

Wie der Franzl heim kam, klingelte noch etwas im Sack, er schüttelte ihn aus, da war es ein Rest Roßgaggele, die waren aber in Goldtücke verwandelt. Eilend lief der Franzl zurück, die ausgeschütteten Roßeier zu holen - aber da lag weder Laub noch Staub von ihnen. Später erfuhr der Knecht, daß er den Schatzhüter leibhaftig gesehen, einen ehemals reichen Bauer, der seinen Reichthum vergraben habe und nun so lange geisten muß, bis einer denselben, scheinbar als ekeln Koth, nach Hause trägt. Dem gehört der Schatz, und dessen Hüter geht erlöst zur ewigen Ruhe ein.


Quelle: Mythen und Sagen Tirols, gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Zürich 1857, S. 192, Nr. 62