DER TARRENZER HEXENMEISTER

Ein gewisser "Stöckler" aus Tarrenz zog sich täglich zur selben Stunde vom "Hoangart" zurück, so daß es seinen Kameraden auffiel. Sie lockten ihn eines Abends absichtlich herbei und versperrten die betreffende Kammer. Beim gewohnten Stundenschlag pochte es eigentümlich leise ans Fenster, jedoch niemand war davor zu sehen. Der Stöckler fuhr auf, rannte nach der Tür, bat die Anwesenden, sie möchten ihn gehen lassen. Weil sie ihm nicht willfahrten, versuchte er unter Anwendung aller Kräfte die Türe zu öffnen, was ihm aber nicht gelang. Indes wiederholte sich das eigentümliche Pochen ans Fenster. Die anderen staunten, weideten sich an seinen vergeblichen Bemühungen, zu entkommen. Bald aber erschraken sie nicht wenig. Dem Stöckler brach der Schaum aus dem Munde, er sank unter krampfartigen Zuckungen zusammen. Nun rannten sie um Bader und Geistlichen. Alle beide schüttelten den Kopf, vermochten den Zustand des völlig Besessenen nicht zu ändern ...

Erst als es in der Früh zum Gebet läutete, kam der Stöckler wieder zu sich. Nochmals flehte er die anderen an, ihn niemals wieder gewaltsam zurückzuhalten - es würde sein Tod sein. Seitdem hieß er im Volke allgemein der Hexenmeister.


Quelle: Imster Geisterbrevier, Hermann J. Spiehs, Imst 1936, Seite 53