's KLOCKERLE

Eines Nachts brachte der Bauer Meringer im "Hinteren Wald" 1) bei der Gröttergrube 2) die Ochsen nicht mehr weiter. Da kam von hinten einer und trieb sie ihm. Der Bauer hörte seinen Helfer stets hinterdreintappen, konnte ihn aber infolge der Dunkelheit nicht sehen. Beim Spissekreuzwollte der Fremde umkehren, jedoch der Meringer meinte: "Jetzt gehst frisch mit zum Essen, kannst bei mir nächtigen!"

Willig stapfte der andere hinter dem Fuhrwerk her, auch folgte er dem Gastgeber hinein ins Haus. Dort verschwand er plötzlich, noch bevor ihn jemand zu Gesicht bekommen hatte. Dafür hörte man ihn bald da, bald dort herumrumoren. Die reinsten "Tanzte" klopfte es hinter dem Getäfel, dann wieder klang es wie das Dengeln einer Sense.

Man gewöhnte sich daran, ja die Kinder machten sich bald einen bloßen Scherz daraus.

"Klockerle, so klock doch eins!" reizten sie den Geist, bis es immer ärger und schier unerträglich wurde. Haarschüppel flogen in die Suppe, zwei Rinder hingen eines Morgens halberwürgt an einer Kette, Seuchen kamen über Vieh und Leute. Ein herbeigerufener Kapuziner bannte den Ungeist mit größter Mühe in die Salvösenschlucht hinein, kam nach der Prozedur ganz schweißgebadet zurück. Er behauptete, sich noch nie mit einem Geist so schwer getan zu haben.

"Wieso?" wollte der Meringer Genaueres wissen.

"Weil'd ihm Hausrecht geben hast durch deine voreilige Einladung! Wer einen Geist ruft, er wird ihn so leicht nimmer los."

"Und wer war es eigentlich?"

"Wer?" wollte der Mönch mit der Sprache nicht recht heraus. Endlich gestand er's doch: " 's schönste Madl, das in Imst zum Brunnen geht. Offenbar war sie von jenem Ungeist besessen und es fiel mir unglaublich schwer, die zwei auseinanderzutrennen. Hoffentlich bekehrt sich das Mädchen nun und entrinnt der Klaue des Teufels!"

" 's Zenze!?" staunten die Bauersleute, hüteten sich aberwohl, sie als Hexe "aumar" zu machen, das heißt öffentlich bekanntzugeben; denn sie wollten nicht ein zweitesmal zum Handkuß kommen.

1) Hinterer Wald: Wald nordöstlich der Teilwiesen
2) Gröttergrube: Abstellplatz für die "Grötter" (einachsige Wagen für Fuhrwerke) am Anfang des alten Maldonweges
Spissekreuz: Wegkreuz am Anfang des alten Maldonweges (unterhalb der neuen Straße)

Quelle: Imster Geisterbrevier, Hermann J. Spiehs, Imst 1936, Seite 13