Der "hoich Hans"
Vor beiläufig 300 Jahren trieb sich eine Einbrecher- und Mörderbande im Wipthal [Wipptal] herum, deren Hauptmann ein berüchtigter Zauberer, mit Namen der "hoich Hans" (d. h. der hohe Hans), war. Dieser konnte alle versperrten Schlösser aufblasen. Einmal in der Nacht kam er mit seinen fünf Gesellen (mehr nahm er niemals in seinen Dienst) nach St. Jodok bei Stafflach, um in die Kirche einzubrechen. Er blies in des Teufels Namen das Schloss an der Kirchenthür [Kirchentür], hierauf das des Sacramentshäusels [Sakramentenhäuschen, Tabernakel] auf und vertrug den goldenen Kelch sammt den übrigen Kostbarkeiten.
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Wenn er wo ein kleines Kind traf, so schnitt ihm der Bösewicht die 
        Händchen ab, ließ sie "zusammenschnurfen" und trieb 
        damit Zauberei. Er brauchte dazu immer fünf solche Händchen, 
        die er in einem "Trühele" stets mit sich führte. Dazu 
        stahl er große Wachskerzen aus den Kirchen, steckte sie zwischen 
        die Finger der Kinderhändchen und zündete sie an. So viel Finger 
        waren, ebenso viel Kerzen mussten brennen. Solange nun diese Kerzen brannten, 
        konnte er mit seiner Bande bei Nacht die Häuser ausrauben, ohne dass 
        jemand aus dem Schlafe geweckt wurde, so laut sie im Hause auch umgiengen 
        [umgingen]. Die Leute wurden "geblendet".
      
Quelle: Volkssagen, Bräuche 
        und Meinungen aus Tirol, gesammelt und herausgegeben von Johann Adolf 
        Heyl, Brixen 1897, 
        Nr. 73, S. 108