Geistermesse

In Holzgau im Lechthal [Lechtal] war noch spät abends ein altes Weiblein in der Kirche, als der Messner zu sperren kam. Dieser hatte sie übersehen, und so musste die Alte die Nacht über in der Kirche bleiben. Bis zwölf Uhr war alles ruhig, doch während des Stundenschlages entzündeten sich alle Kerzen am Altare von selbst, und ein Priester in schwarzem Messgewande trat aus der Sacristei [Sakristei]. Als er vor dem Altare stand, drehte er sich um und sprach dreimal:

"Ist niemand da, der mir bei der Messe dient?"

Das Weib im Stuhle zitterte wie Espenlaub und getraute sich nicht Antwort zu geben. Nun gieng der Priester wieder traurig vom Altare weg. In der Frühe ließ der Messner die Alte wieder aus der Kirche, und sie erzählte nun im Dorfe, was sie gesehen hatte. Da war ein kecker Bursche, der beschloss, dem Geiste zu dienen, und ließ sich in die Kirche sperren. Um Mitternacht kam's wieder ganz so, wie das Weib erzählt hatte. Auf die dritte Frage des Priesters antwortete der Bursche, er sei bereit zu ministrieren. Der Priester las die Messe. Als er bei der Communion [Kommunion] den Leib des Herrn genossen hatte, wurde er ganz licht und weiß. Er kehrte sich um und sagte, nun sei er erlöst. Er habe einmal eine Messe schlecht gelesen und habe nun so lange büßen müssen, bis ihm einer diente, so dass er wieder würdig communicieren konnte. Er sagte dem Burschen noch vieles, doch verbot er ihm, dasselbe zu erzählen.

Quelle: Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, gesammelt und herausgegeben von Johann Adolf Heyl, Brixen 1897,
Nr. 12, S. 17