Die gerettete Dirne

In früheren Zeiten hatte der Satan weit mehr Gewalt als in unseren Tagen; die Leute sagen, es wäre durch die vielen Ablässe besser geworden.

Wenn nämlich früher jemand nieste und es sagte niemand "Helf Gott!" darauf, so gehörte die niesende Person dem Satan. Einmal gieng [sic] der Teufel durch die Wildschönau und traf einen Burschen auf dem Wege, der auf das Gaffeln [sic] ausgieng [ausging]. Es war dies sonst gerade kein sonderlich löblicher Gang, aber diesmal wurde er doch zu einem löblichen. Es fragte ihn nämlich der Satan, wohin des Weges er gehe, und als ihm der Bursche ganz ehrlich, wie die Wildschönauer eben sind, gestand, welches der Zweck seines nächtlichen Ganges sei, da dachte der Teufel, zwei Fliegen mit einer Klappe zu fangen, und sagte dem Burschen, dass auch er auf das Gaffeln gienge, und er hoffe die und die Dirne zu bekommen, weil ihr niemand "Helf Gott!" sagen werde. Aha, dachte der Bursche, du bist schon der rechte; wart', ich werde dir heut' das Gaffeln verleiden. Und er begab sich eilends dorthin, wo er die benannte Dirne wusste, und hockte sich zu den anderen in die Stube hinein. War auch nicht lange darin, als die Dirne schon niesen musste.

"Helf dir Gott in Himmel"

rief der Bursche dreimal aufs Niesen kräftig, und der dumme Teufel hatte den weiten Weg umsonst gemacht.

Quelle: Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, gesammelt und herausgegeben von Johann Adolf Heyl, Brixen 1897,
Nr. 66, S. 103