Der Pfaffenstein

Wer mit offenen Augen weiter wandert, bemerkt unterhalb der neuen Straße - dort, wo der alte Fahrweg noch stückweise erhalten ist - eine große Steinplatte. Den Namen "Pfaffenstein" hat die Platte auf nicht ganz alltägliche Weise erhalten.

Ein entsprungener Priester wanderte dereinst das Gerlostal aufwärts. Hinter dem Weiler Marteck bemerkte er vor sich eine dralle Bauerndirn. Es war beim Dunkelwerden, und der Teufel, der das entlaufene Pfäfflein ohnedies gern ritt, setzte ihm ordentlich zu. Der Mann holte die Dirn ein und machte ihr kurzerhand einen unzweideutigen Antrag. Den Einwand der zu Tod erschrockenen Maid, dass dies eine Sünde sei, tat er mit dem Hinweis ab, dass er Geistlicher sei und sie darum keine Sünde begehe, wenn sie sich ihm hingebe. "Gewiss nicht?", fragte das Mädchen, dem der junge Mann wohl auch gefiel.

"So wenig, wie die Steinplatte da butterweich werden kann", behauptete der Verführer. Als er die Jungfrau auf die Platte niederdrückte, gab diese aber nach. Was Wunder, dass beide das Grausen packte und sie das Weite suchten, jeder in eine andere Richtung.

Der Stein weist heute noch die Abdrücke der Dirn auf.

Quelle: Hifalan & Hafalan, Sagen aus dem Zillertal, Erich Hupfauf, Hall in Tirol, 2000, S. 59.