Hexentänze II

Auch in Axams liebt ein Bursche ein Mädchen, das er alle Tage, mit Ausnahme des "Pfinstags", besuchen durfte. Allmählich fieng es den Jüngling zu wundern an, warum er eigentlich an den Donnerstagen nicht kommen dürfe. Er begab sich deshalb an einem solchen tage schon in aller Frühe heimlich in das Haus seiner Geliebten und versteckte sich in der Küche unter dem Tisch. Bald kam das Dirndl ini hrem Feiertagsgewande herein und reinigte das Geschirr. Dann öffnete es den Wandkasten, nahm ein mit Salbe gefülltes "G'spatele" (Schächtelchen) heraus und schmierte sich die Hände ein. Hierauf sage es: "Ob'n aus und ninderscht un!" und schoß zum Kamin hinaus. Jetzt sprang der Bursche von seinem Verstecke hervor, rieb sich ebenfalls mit jener Salbe die Hände ein und rief, da er die Worte der jungen Hexe falsch verstanden hatte: "Ob'n aus und iberoll un!" worauf es ihn im Rauchfang jämmerlich herumschlug, bis er endlich ins Freie kam. Da war es ihm plötzlich, als schreite er auf einer schönen Straße einher und sah in geringerer Entfernung ein prachtvolles Schloß emporragen. Wie er es erreicht hatte, betrat er zunächst ein Zimmer, in welchem eine mit den auserlesensten Speisen besetzte Tafel stand. Da in demselben niemand anwesend war, dacht er sich: "Do foß i mir amol an Brot'n ein" und ließ einige saftige Stücke in seinen Taschen verschwinden. Auch zwei Flaschen Wein steckte er zu sich. Dann öffnete er eine Thüre, durch welche ihm Stimmengewirr und rauschende Musik entgegentönen. Sein Blick fiel in einen mit Herren und Damen vollgepfropften Tanzsaal. Beim Anblick des Gewühls rief er unwillkürlich aus: "Jesses Maria, do geat's zua!" Jetzt war augenblicklich das ganze Schloß verschwunden und der Bursche stand auf einem schauerlichen Schrofen inmitten einer landsfremden Gegend. Zu seinen Füßen lag ein Dorf, doch er konnte, so sehr er sich auch bemühte, keinen Abstieg finden. Da ihm der Magen knurrte, gedachte er des eingesteckten Bratens; aber wie erstaunte der Bursche, als er anstatt dessen nur faules Holz in der Tasche hatte und die beiden Flaschen Wasser enthielten. Endlich gelang es ihm, sich unter großer Lebensgefahr "oh'nz'herpf'n". Im Dorfe angekommen, gieng er zum Herrn Pfarrer und erzählte ihm seine heutigen Erlebnisse. Der Seelsorger wußte kein anderes Mittel, wie der Jüngling wieder in sein entferntes Heimatdorf Axams kommen könnte, als wenn er am nächsten Donnerstag wieder auf den Felsen klettere und sobald das Schloß wieder oben stehe, in dasselbe hineingehe und mittanze. Alsdann dürfe er aber ja nichts mehr verlauten lassen, was die Herren in ihrem Thun und Treiben störe. Der Bursche befolgte diesen Rath und war am Donnerstag schon bei Tagesgrauen wieder auf dem Schrofen. Von einem Schlosse war noch keine Spur zu sehen. Als er aber einmal umschaute und gleich darauf den Kopf wieder zurückwandte, erblickte er das prachtvolle Gebäude unmittelbar vor sich. Froh eilte er in den Tanzsaal, traf dort seine Geliebte und tanzte beständig nur mit ihr. Dabei fluchte er manchmal so gräulich, daß die Hexen an dem hoffnungsvollen jungen Manne ihr helle Freude hatten. Kaum klangen aber die ersten Töne des Ave-Maria-Glöckleins vom Dorfe herauf, als er sich auf einmal bei seinem Dirndl in der Küche befand, wo er die Fahrt angetreten hatte. Mit der Liebschaft aber hatte es jetzt selbstverständlich ein Ende.

Quelle: Sagen aus Innsbruck's Umgebung, mit besonderer Berücksichtigung des Zillerthales. Gesammelt und herausgegeben von Adolf Ferdinand Dörler, Innsbruck 1895, Nr. 108/6.