Der Huzelmann

Vor langer Zeit nahm ein Handwerker aus Hopfgarten von der Ruine Engelsberg einen Mauerblock weg. Er brauchte ihn für seinen Keller. Im Volke lebte der Glaube, daß, wer von der Ruine Engelsberg einen Stein wegnimmt, dafür etwas Geld in die Ruine legen soll. Der Handwerker dachte sich, es ist doch nicht nötig, diesen Mauerblock teuer zu erstehen.

Stirnseite  © Wolfgang Morscher
Stirnseite der Burgruine Engelsberg mit Reste der Deckenwölbung
© Wolfgang Morscher, 29. Mai 2005

In jeder dritten Nacht erschien dem Handwerker der Engelsberger Huzelmann. Der Huzelmann war ein kleiner Geist und hatte grüne Augen. Jedesmal forderte er den Handwerker auf, er soll doch endlich den Mauerbock zahlen. Gegen diese Forderung blieb der Handwerker immer taub. Der Huzelmann drohte nun mit dem Tod. Da fragte der Handwerker nach dem Preis. "Drei Nächte mußt du für den Mauerblock auf Engelsberg wachen. Wann kommst?" fragte der Geist.

Gerne hätte der Handwerker Geld für den Mauerblock gegeben. Er wollte auch mit dem Huzelmann wegen Geld verhandeln, doch der Huzelmann sagte, Geld nütze ihm wenig. Also versprach der Handwerker, er werde morgen das erstemal kommen. Ungern hielt er Wort, aber er dachte an den Tod.

Vier Stunden hielt der Handwerker schon Wache, ohne daß sich etwas besonderes ereignete. Er dachte sich, ach was, ich schlafe ein Stündchen. Während er schlief, kam der Huzelmann, packte ihn bei den Ohren und zerrte ihn in das Innere des Schloßberges. Der Handwerker erwachte. Er fing an, den Huzelmann zu bitten, daß er ihn freilasse.

"Warum hast du nicht gewacht?" fragte der Huzelmann. "Ich war müde und schlief unwillkürlich ein", antwortete der Handwerker. "Du bist ein Lügner!" sagte der Huzelmann. "Ich gebe dir die Freiheit, aber du wirst mit ihr wenig anfangen können, denn wer den Huzelmann belügt, muß sterben, will er oder nicht."

Wenige Tage darauf erkrankte der Handwerker und starb.

Quelle: Anton Schipflinger in: Sonntagsblatt Unterland 1937, Nr. 2, S. 5
aus: Sagen, Bräuche und Geschichten aus dem Brixental und seiner näheren Umgebung, gesammelt und niedergeschrieben vom Penningberger Volksliteraten Anton Schipflinger, zusammengestellt von Franz Traxler, Innsbruck 1995 (Schlern-Schriften Band 299).