Der Waldgeist

Unter diesem Namen ist bei Stams im Oberinntal ein nächtlicher Spuk allgemein bekannt, und fast jedes Kind weiß folgende Geschichte, vorzüglich um Mötz herum, zu erzählen.

Es gingen einmal zwei junge Bauernknechte von Stams in finsterer Nacht nach dem benachbarten Dorf e Silz, wo sie daheim waren. Sie schlugen den nächsten Fußpfad über die Wiesen ein, welcher bei großen Eichen über den Weiler Staudach vorbei führt, links von der Poststraße, wie jeder Silzer weiß.

Kaum waren sie einige Minuten auf dem Wege, so hörten sie eine klägliche Stimme rufen: "Wohin? Wohin?" Die zwei Knechte erschraken und riefen: "Hierher!" und gingen langsam weiter. Aber bald sahen sie eine feurige Gestalt aus dem nahegelegenen Walde heraus und schnellen Schrittes ihnen nahe kommen. Es ergriff sie große Furcht, und sie liefen aus Leibeskräften auf einem Umweg nach Silz zu, der Waldgeist aber lief hinten nach. Sobald sie das Dorf erreicht hatten, bekamen sie vom feurigen Waldgeist jeder einen starken Schlag auf den Rücken, weiter geschah nichts. Am andern Tage sahen beide an den Kleidern die Hand eingebrannt, von der sie den Schlag bekommen hatten. Wenn sie die brandige Stelle ausbessern lassen wollten, so fiel jedesmal das daraufgenähte Stück Tuch wieder herunter, und die Hand kam zum Vorschein. Aber auch auf ihrem Rückenfleische blieb die Hand schwarz abgebildet ihre ganze Lebenszeit.

Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 166