Der Pfaffenstein

Auf dem Wege von Zell im Zillertale nach Gerlos steht knapp am Pfade bei den Gerloser Gütern im Walde ein Stein mit einem Eindruck, als habe ein Mensch in ihm gelegen, fast so wie der Herrgottsstein im Egergrunde in Deutschland, nur daß dieser hier kein Herrgottsstein ist.

Die Sage gibt demselben einen andern Ursprung. Ein junger Geistlicher aus Salzburg, der durch das Pinzgau herauf und über den Gerlosberg gewandert, fiel, als er einer schönen Dirne begegnete, in eine sehr heftige Versuchung und sagte zu der sich sträubenden Dirne, was er von ihr begehre, sei so wenig Sünde als der Stein am Wege Schnee sei. Aber wie er jene zum Steine drängte, gab dieser nach, wurde so weich wie Schnee, nahm ihre Gestalt auf, und erschrocken bebte jener zurück, und die Dirne entsprang. Sichtbar erschüttert von dem Wunder, das vor seinen Augen sich gezeigt, ging der Verirrte in sich und büßte hart und schwer und lange in einem strengen Kloster den Fehl jener Versuchung ab.

Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 71