Geträumter Schatz

An der Tiroler Grenze bei Mopnitz lebte ein krainerischer Bauer, der hieß Japnig; der war in seinem Hauswesen sehr heruntergekommen und hatte demnächst die gerichtliche Vergantung zu erwarten. Auf einmal träumte ihm, er solle nach Stall im Mölltal gehen, und wie er so im Traume ging, fand er unterwegs einen Schatz. Dieser Traum war dem Japnig merkwürdig, und er machte sich gleich auf den Weg. Da begegnete ihm ein alter Invalide, und zwar auf einer Brücke, und fragte ihn nach dem üblichen Weggruß: "Wie weit?" (Das heißt: "wie weit oder wohin gedenkst du zu gehen?")

"Auf Stall", antwortete der Bauer und knüpfte gleich die Frage an: "Und du?"

"Weiß nicht!" antwortete der Invalide, "hab' kein Daheim und auch kein Geld." Über dieses anziehende Gesprächsthema, das nicht allzuselten zu sein pflegt, wurden die beiden vertraulich miteinander. Einer klagte dem ändern seine Not, und endlich erzählte der Bauer dem alten Soldaten seinen Traum.

Dieser lachte ihm ins Gesicht und sagte: "Da könnte jeder kommen und Schätze träumen. Mir hat schon dreimal geträumt, bei einem Japnig oder Habenichts - hast d' schon so einen garstigen Namen gehört? - lag' ein Schatz im Herd. Was hilft mir das? Weiß ich, ob solch ein Kerl existiert? Träume sind halt Schäume." Der Japnig erschrak ordentlich, wie er seinen Namen nennen hörte; er ward mäuschenstill, sagte dem Soldaten: "Pfiet di Gott!" und ging nicht nach Stall, sondern auf einem kleinen Umwege stracks wieder heim nach Mopnitz, wo er alsbald begann, seinen Herd einzureißen, so daß sein Weib glaubte, ihr Mann sei übergeschnappt. Aber im Herde stak vermauert ein Topf voller Kronentaler, der half Japnig aus all seiner Not.

Nach anderer Sage soll der Japnig gar bis auf die Prager Brücke gelaufen sein und dort den alten Soldaten getroffen haben; wäre freilich ein weiter Weg gewesen, aber diese sich oft wiederholende Sage liebt es, jedesmal eine Brücke mit aufzutischen und nennt dann gern die zu Innsbruck, zu Regensburg oder Prag.


Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 332.