Der Guckeler

Auf einer Alm, nahe vom Klösterle in hat auch ein Kasermanndl gegeistert und die Sennen oft geschreckt, ob es schon keinem ein Leids getan hat. Zumal hat es im Brauch gehabt, unverhofft durch das kleine Guckfenster! in der Türe zu jeder Stunde in die Almhütte hineinzuschauen. Davon ward das Kasermanndl bei den Sennen "der Guckeler" geheißen.

Jetzt ist auf die Alm ein Senn gezogen, ein kreuzbraver Mensch soweit, redlich und fleißig, aber mordsmäßig grob. Wenn der grab seinen schiechen Humor gehabt hat, wars besser, man hat ihn gehen lassen und nicht viel gemacht mit ihm; sonst sind die feinsten Redensarten gleich so umeinand geflogen.

Eines schönen Tags sieht der Senn beim Herd dort, hat die Pfanne voll siedheißes Schmalz zur Brennsuppen und ist im übrigen schlecht aufgelegt. Wie er aufschaut, sieht er dem Guckeler seinen Kopf hereinspitzen, lang und grau und halt so recht gespenstig. Das ging dem Senn widern Strich, und grantig wie er schon war, hat ers Schimpfen angefangt. "Ist der Sauschwanz von Guckeler auch schon wieder um die Weg?" hat er aufbegehrt. "Dem gib ich gleich eine Brennsuppen" - und nimmt die ganze Pfanne mit heißem Schmalz und schüttet sie dem Kasermanndl ins Gesicht.

Da hat der Guckeler ordentlich geglänzt, nicht vom Schmalz, sondern vor lauter Freuden. "Vergelts Gott, Bub!" - hat er gesagt. "Jetzt hast mich derlöst. Ich bin zu meinen Lebzeiten grab so ein miserabler Grobian gewesen wie du. Keinen, der außen gestanden ist, auch wenn er arm oder müd gelaufen war, Hab ich hereingehen lassen und rasten; jeden hab ich mit Schimpfen und Fluchen vertrieben. Akkurat wie du! Und einmal hab ichs einem armen Mann genau so gemacht, wie du mir, hab ihms heiße Schmalz ins Gesicht geworfen. Deswegen bin ich als Toter verdammt gewesen, so lang herumzugeistern, bis mir einer das Gleiche täte. Nun hast dus getan; jetzt scheid ich davon."

Da ist der Guckeler verschwunden und hat nie mehr in die Käser hineingeschaut. Dem Senn aber ist die Lehre so zu Herzen gegangen, daß er von da an die gute Stund selber und freundlich mit einem jeden war.

Quelle: Tiroler Legenden, Helene Raff, Innsbruck 1924, S. 180ff