DAS TRINKGELAGE ZU LUTTENBERG

Im Schloßkeller zu Luttenberg saß der Burgherr mit vielen Kumpanen. Zwei Tage und drei Nächte schon dauerte das Gelage und es schien noch immer nicht, als ob dasselbe endlich enden würde. Früh am Montage in der heiligen Karwoche hatten sie das Trinkgelage begonnen, und nun war es schon Mittwoch, aber die Ritter kümmerten sich darum nicht, ließen sich immer von neuem die gewaltigen Humpen füllen und leerten sie stets wieder.

Da trat der Schloßwächter, ein frommer, seinem Herrn von Jugend auf treu ergebener und sehr zugetaner Diener, in den Schloßkeller; er fühlte sich ob des sündigen Treibens der Ritter sehr beunruhigt und wollte deshalb den Schloßherrn zu bewegen suchen, das Gelage aufzuheben. Also trat er an diesen heran und bat ihn, nunmehr einzuhalten, denn eben bräche die Mitternacht heran und damit auch der Gründonnerstag, an dem ja selbst die Glocken in tiefer Trauer verstummen.

Aber über diese Mahnung seines Knechtes wurde der Ritter sehr ergrimmt. Er befahl, das größte Gefäß, welches sich im Schlosse vorfände, mit dem besten edlen Naß zu füllen und darin den frommen Schloßwächter zu ersäufen. Die trunkenen Zecher lachten zu diesem Befehle, der Schloßherr aber rief in frevelndem Übermute: "Und wenn die Glocken auch verstummen, wir trinken solange fort, bis sie wieder ertönen!" Da erdröhnten vom Wartturme herab dumpf und schauerlich die zwölf Schläge, anzeigend die Mitternachtsstunde, und kaum war der letzte Schlag verhallt, als die Fackeln verlöschten, das Kellergewölbe in allen seinen Ecken und Pfeilern erbebte und aus den Fässern lavaartig ein Feuermeer entströmte, welches die wüsten Zecher verschlang.

Und als am Karsamstage die Glocken der Marktkirche zum freudigen Auferstehungsfeste ertönten, war kein Schloß, kein Wartturm mehr zu sehen; nur kahle, geschwärzte Mauern waren zu erblicken, ein Warnungszeichen für alle Gottesfrevler.

Sagen aus der grünen Mark, Hans von der Sann, Graz 1911