Der Mann mit dem blutigen Barte bei Adnet

Hoch oben am Flatschenberge lebte um das Jahr 1590 ein über 70 Jahre alter Bauersmann, Namens Hans Ziller, und war gar fromm und gottesfürchtig. Als dieser eines Tages, glaublich an einem Donnerstage, im Monat August um 7 Uhr Früh in die Waldner-Aeze bei Adnet ging, um Holz zu schlagen, kam er an eine große tiefe Grube, welche bis dahin weder mit Steinen, noch mit anderem Materiale konnte ausgefüllt werden, und sah darin einen überaus großen, ganz weiß gekleideten Mann mit einem in der Mitte getheilten, langen blutigen Barte stehen. Voll Schrecken ließ der Bauer die Hacke fallen und starrte die sonderbare Gestalt an. Als er sich endlich derselben näherte, fing sie, mit drei Stimmen zugleich sondermaßen zu sprechen an:
"Wenn sich die Welt nicht bekehrt, wenn sich die Welt nicht bekehrt, es sei dann, es bekehre sich die Welt und thue Buße, sonst werden alle Friedhöfe der ganzen Christenheit zwischen heute und einem Jahre durchgraben werden, wie dieser Friedhof (womit sie die Waldner-Aeze meinte, welche von Scharrmäusen ganz durchwühlt war.)

Zugleich befahl diese Gestalt dem Bauer, er solle das Gehörte der Geistlichkeit anzeigen, aber nicht vor drei Tagen, thäte er dies nicht, so werde ihm nichts mehr wohl gerathen, noch gelingen, worauf dieselbe vor seinen Augen verschwand.

So berichtete genannter Bauer in Gegenwart von mehreren Zeugen dem Pfarrer zu Kuchl mit der Versicherung, daß alles Erzählte vollkommen wahr sei und er sich jederzeit getraue, dies selbst in Gegenwart des Erzbischofes zu bestätigen.

Quelle: Bericht des Peter Mauerer, Pfarrers zu Kuchl an den Erzbischof Wolf Dietrich, Manuscript des k. k. Landesarchives in Salzburg, Fol. 1 Bogen, zit. nach Nicolaus Huber, Fromme Sagen und Legenden aus Salzburg, M. Mittermüller Salzburg 1880, S. 85 - 86