Die Hand Christi im Lorettokirchlein zu Salzburg

In diesem Kirchlein sieht man links ein Portal von weißem und rotem Marmor, hinter welchem die rundgewölbte Kapelle Mariä von Einsiedeln dem Originale gleich erbaut ist; ja sogar die Vertiefungen der durch ein Wunder in den Marmor eingedrückten Hand Christi sind künstlich nachgebildet. Die Legende erzählt nämlich: Christus, der Herr, habe die im Jahre 948 erbaute Kirche zu Maria Einsiedeln in der Schweiz in der Nacht vom 13. auf den 14. September selbst feierlich geweiht und, als er der Kirche zuschritt, sei ihm die alte Kapelle auf dem Fuße nachgefolgt. Vor dem Eingange zur Kirche habe sich Christus umgewendet, seine rechte Hand an das Portal der Kapelle gelegt und dieselbe mit den Worten zurückgedrängt: "Liebe Kapelle! ich kann dich in die Kirche nicht einlassen; denn es ist darin kein Raum für dich"; durch das starke Nachdrängen der Kapelle seien dann die noch sichtbaren Vertiefungen der Finger und Handfläche Christi entstanden. Gleich wie nun Maria Einsiedeln in der Schweiz einer der berühmtesten Wallfahrtsorte der Christenheit geworden ist, so zog auch die vom Erzbischofe Paris erbaute und im Jahre 1648 in eigener Person geweihte Maria-Einsiedeln-Kapelle zu Loretto, obwohl nur Nachbildung, bald zahlreiche Verehrer und Andächtige an sich. Dabei unterließ man es selten, seine Finger in die im Portale sichtbaren Vertiefungen zu legen, welche sich an jede Hand, ob groß oder klein, vollkommen anschließen. Nur demjenigen, welcher nicht ganz reinen Herzens ist, ist hievon abzuraten, da sich der Marmor um dessen Finger so enge schließt, daß dieselben gequetscht werden. Seit einigen Jahren ist der Zugang zur Kapelle durch ein eisernes Gitter gesperrt und hat seither die Wallfahrt zu derselben nahezu aufgehört.

Grundriss Lorettokirche Salzburg

Grundriss Lorettokirche Salzburg
Abbildung aus Dvorak/Tietze, Österreichische Kunsttopographie, Bd. IX, Wien 1912

Quelle: Nikolaus Huber, Fromme Sagen und Legenden, Salzburg 1880, S. 73 f, zit. nach Leander Petzold, Sagen aus Salzburg, München 1993, S. 271.