Das Meeräugel

In der Nähe der ersten Hütte auf der Hofalm, welche gegenwärtig dem Pilzbauer gehört, im Quellengebiete der warmen Mandling, findet sich ein rundes Erdloch, das etwa zwei Klafter im Durchmesser hat und mit eisigkaltem Wasser gefüllt ist. Aus diesem Loch fließt ein Bach, silberhell und rein. Nach der Sage soll dieses Erdloch unergründlich und mit dem Meere in Verbindung sein, woher auch sein Name "Meeräugel" stammt.

Mehrere beherzte Burschen wollten einst die Tiefe desselben ergründen, nahmen eine große Weberspule voll Spagat und banden an das eine Ende desselben einen schweren Stein, den sie dann in das "Meeräugel" warfen. Die Spule entleerte sich allmählig des Spagats, von der Tiefe herauf aber ertönte plötzlich eine Stimme:

"Willst du mi dagründ'n (ergründen),
So will i di schlünd'n" (verschlucken)

Die Burschen hatten dies kaum vernommen, als sie auch schon erschreckt die Spule fallen ließen und so rasch als möglich das Weite suchten. Seitdem hat es niemand mehr gewagt, das Meeräugel, das auch mit dem hinteren Gosausee in Verbindung stehen soll, zu ergründen.

Quelle: R. von Freisauff, Salzburger Volkssagen, Bd. 1, Wien/Pest/Leipzig 1880, S. 363, zit. nach Leander Petzold, Sagen aus Salzburg, München 1993, S. 122.