Die eiserne Henne

Die übermütigen Knappen von den Silbereckbauen gingen zur schönen Tochter der alten Rupbäuerin, die eine Zauberin war. Diese gönnte ihre Tochter den Knappen nicht und wies selbe jetzt und aber mit strengen Worten ab. Die Knappen aber ließen sich so leicht nicht abspeisen und beharrten in ihren Besuchen. Da beschloß die Alte, mit der ganzen Knappschaft ein Ende zu machen. Sie ließ sich eine eiserne Henne mit dergleichen Eiern machen, überzog alles mit siedendem Pech und dann mit Schwefel, damit das Eisen nicht roste, und vergrub ihr Zauberwerk an einem unbekannten Ort. Von diesem Augenblicke an waren die reichen Erze verschwunden, und aus war's mit der Herrlichkeit der Knappen. Sie zerstreuten sich nach allen vier Weltgegenden, und kaum findet man noch hie und da in der Höhe alte Halden und Bergzeug.

Lange Jahre ist es schon, daß die Rupbäuerin ihr letztes Stündlein überstanden hat, auch ihr schönes Töchterlein ist längst vermodert, noch aber liegt der Zauber auf den reichen Gängen, die am Silbereck ausbeißen, und kein Mensch vermag sie zu finden. Dieser Zauber wird nicht eher gelöst, bis entweder ein Sonntagskind die Henne mit den Eiern aus dem Schoße der Erde hebt, oder bis das ganze Erzeugnis der Zauberkunst von Rost zerfressen und zerfallen
sein wird.

Quelle: Fr. V. Zillner, 322 Sagen aus Salzburg (= Mitteilungen der Salzburger Landeskunde 1863), S. 270, zit. nach Leander Petzold, Sagen aus Salzburg, München 1993, S. 207.