Der Rester

Der gefürchtetste Zauberer war der Rester, der wie kein zweiter das "Verticken" (verzaubern) verstand. Die Kühe zu verticken, daß sie keine Milch mehr gaben, den Leuten den "Gsund" zu nehmen, den Tieren den "Krank" zu wünschen u. a. m. waren für ihn nur Kleinigkeiten. Ein Roßknecht, der mit dem Saumschimmel heimfuhr, begegnete dem Rester, als er gerade auf einem Schlitten einen Sack Getreide zog. "Leg ma mein Sack auf", bat der Rester. "Han eh scho zviel aufglegt, da Buga schwitzt eh scho." - "Is's a grecht", gab der Rester zur Antwort und zog seinen Schlitten voran, aber so schnell, daß er lang vor dem Roßknecht in Landsteg ankam. Er ging dem Roßknecht ein kurzes Stück entgegen, strich dem Roß mit der Hand über den Rücken und sagte: "A schöns Rossei hast da, richtig a schöns Rossei." Und verschwunden war er. Gleich darauf spreizte der Schimmel die Beine, begann fürchterlich zu schnaufen und fiel tot zu Boden. Der Rester hatte das Roß "vertickt".

Quelle: Sigmund, Narholz, Sagen aus dem Rauriser Tal (=Jahresbericht des Sonnblickvereines 1957), S. 63, zit. nach Leander Petzold, Sagen aus Salzburg, München 1993, 82.

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Der Beinbruchdoktor Reinacher von St. Johann hatte eine Alm in Großarl. Der Hirt davon, der gern etwas wilderte, saß einmal auf einem Schrofen und spähte nach Gemsen. Da sah er einen Mann gegen das Kar zu gehen, wo die Kälber der Alm grasten, und wie er einem Kalb mit der Hand über den Rücken fuhr. Im selben Augenblick hält das Kalb den Kopf empor, spreizt die Beine und steckt die
Zunge heraus, der fremde Mann zieht sein Messer und schneidet ihm die Zunge ab. Der Hirt springt, so rasch er konnte, ins Kar herab und findet, daß es der gefürchtete Rester war. Er droht ihm, es dem Bauern zu sagen, und sucht nach dem Kalbe, das aber spurlos verschwunden war. Wenn du etwas sagst", erwiderte der Rester, "wirst du deine Gesundheit verlieren." Der Hirt gestand es
aber im Herbst seinem Herrn, da begann er zu kränkeln und starb bald darauf. Der Rester hatte ihn vertickt.

Quelle: Marie Andree-Eysn, Volkskundliches. Aus dem bayrisch-österreichischen Alpengebiet, Braunschweig 1910, Nr.24, zit. nach Leander Petzold, Sagen aus Salzburg, München 1993, S. 82.

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Der Rester-Lotter ist einmal zur Filzenalm betteln gekommen. Die Sennin gab ihm nur ganz wenig, so daß er darüber ärgerlich war. Als er wegging und beim Schweinestall vorüber kam, nieste er gegen diesen hin, was der Halter-Lois deutlich gesehen hat. Am nächsten Morgen waren drei "Jungschweine" (Ferkel) tot, sie waren vertickt. Der Halter-Lois nahm einen eisernen Türriegel, machte ihn glühend und fuhr damit der Sau über den Rücken. Diese blieb ganz unbeschädigt, aber als der Rester wieder an der Hütte vorbei ging, da sah man, daß sein Gesicht "voller Pletzen" (Schorfen, Flecken) war.

Quelle: Marie Andree-Eysn, Volkskundliches. Aus dem bayrisch-österreichischen Alpengebiet, Braunschweig 1910, Nr. 23, zit. nach Leander Petzold, Sagen aus Salzburg, München 1993, S. 83.