Die Geschichte von der Gernerhexe
Der Gern, der sich hinter dem Sonnberg über Piesendorf erhebt und auf dessen grasigen Halden heute Pferde und Rinder weiden, soll einst ein Gletscher gewesen sein, in dessen Gebiet eine Hexe hauste. Sennen und Jäger sollen ihr manchmal sogar begegnet sein: Man schilderte sie als ein altes Weiblein, mit grellrotem Gewand bekleidet. Ihre Augen blickten recht boshaft und lauernd, das graue Haar hing ihr wirr in das Gesicht. Sie verhexte das Vieh auf den Almen, ließ fürchterliche Hagelwetter über die Almgründe hinfahren.
Einst soll sie ein Jäger überrascht haben, wie sie mit einem
Pickel große Eisstücke aus dem Kees schlug, die dann als Schloßen
das saftige Gras der Almen vernichten sollten. Der Jäger sprach sie
an, warum sie so große Stücke mache, worauf sie ihm grimmig
erwiderte: "Wenn der Laurenzistier
brüllt, d' Walcher Katzln rehrn und d' Margret aufm Stoan, werdn
ålle wieder kloan." Sie meinte damit die Glocken der
Kirchen von Piesendorf, Kaprun und Walchen. Das Kees ist nun verschwunden
und mit ihm auch die Hexe, aber die Sage lebt noch immer fort; an traulichen
Winterabenden erzählt man sie, und wenn im Hochsommer drohende Wetterwolken
sich über den Gern schieben und drängen, sagt man: "Heut
droht die Gerner Hex, sie richt' schon wieder ein Unwetter her!"
Quelle: Heimatbuch Piesendorf, Hofrat Dr. Max
Effenberger, Piesendorf 1990, S. 562 -563