Der Finkbauer und die Wilde Frau

An einem schönen Sommertag ging der alte Finkbauer von Wald auf seine Alm. Unterwegs begegnete
ihm eine fremde Frau, die ihn fragte, ob er keine Magd brauche.  "Wohl", sagte der Bauer. "Was willst du als Lohn?"  "Einen schwarzen Widder", antwortete die Unbekannte.  "Wie lange willst du dafür bei mir bleiben?" fragte der Finkbauer. Die Frau antwortete nach langem Nachdenken:  "Das weiß ich nicht genau. Ich werde bei dir aber so lange arbeiten, bis ich mir das Schaf wirklich verdient habe." Der Finkbauer war damit zufrieden, und die unbekannte Frau blieb bei ihm und arbeitete dort recht brav und fleißig.

Damals war der Besitzer des kleinen Schößergutes in Wald Knecht beim Finkbauer. Wie es der Zufall wollte, musste er ein Jahr nach dieser Begebenheit von Ronach Heu zu Tal führen. Als er in der Nähe der Nößlingerwand  vorbeifuhr, schrien ihm die wilden Frauen die Worte zu:

"Schößerbros, Schößerbros
 mit deine weißn Roß!
Såg der Dirn:
Der Himpm, Hampm is g storbn,
Kirchen geh morgn."

Als er heim  kam, saßen die Dienstboten gerade beim Abendessen. Der Knecht erzählte der Magd
sofort sein Erlebnis. Sie weinte laut auf, eilte in den Stall hinaus, setzte sich auf den Rücken des schwarzen Widders und ritt davon.

Sie soll eine Wilde Frau gewesen sein. . .

Anmerkung:
Sagen von Wilden Frauen  deuten auf eine frühe Besiedlung der Gegend hin.
Der Falkenstein (Vorderkrimml)  in der Nähe der Nößlingerwand war schon vor mehr als 3000 Jahren besiedelt; das ist durch Ausgrabungen, die Prof. Hell aus Salzburg 1946 durchführte, belegt.


Quelle: Emailzusendung von Leni Wallner am 19. Februar 2007.