Der Venediger mit dem Bergspiegel

Auf dem Hundstein verstiegen sich einst Kühe und Ziegen eines Hirten, ohne daß sie dieser zurückzutreiben vermochte. Er nahm daher Steine, warf sie auf das Vieh und zwang es auf diese Weise zur Rückkehr. Mit einem Male stand ein Mann neben ihm und rief ihn an: "Wirf nicht die Steine weg, um das Vieh zu bekommen; sie sind wahrlich mehr wert als alle deine Kühe und Ziegen." Darauf war er wieder verschwunden. Als nun der Hirte die Steine näher besah, entdeckte er, daß sie lauteres Gold enthielten, und sammelte deren so viele, daß er ein überreicher Mann wurde.

Der Mann jedoch, der ihm so unerwartet erschienen und ebensorasch wieder verschwand, war ein Venediger. Ein solcher wußte mehr als andere Leute; denn ihm stand der Bergspiegel zu Gebote, mittelst welchem er von Venedig aus in das Innere der Berge schauen konnte; ihm war auch die Kunst zu eigen, aus allem Gold machen zu können.

Quelle: R. von Freisauff, Salzburger Volkssagen, Bd. 2, Wien/Pest/Leipzig 1880, S. 413, zit. nach Leander Petzold, Sagen aus Salzburg, München 1993, S. 210.