WENN DER SAMSON UMGEHT

Diese Kraftgestalt der Bibel spielt seit altersher im Lungau eine große Rolle, und so haben Tamsweg, Mauterndorf und St. Michael ihren Samson. An den Prangtagen, aber auch zu sonstigen außergewöhnlichen Anlässen — so etwa, wenn ein hoher Gast den Lungau besucht — wird diese Riesenfigur hervorgeholt und unter großer Anteilnahme der Bevölkerung mit Musikbegleitung durch den Ort getragen.

An den bedeutenderen Plätzen oder vor den Häusern bekannter und geachteter Persönlichkeiten hält er an und tanzt dann zu den Klängen einer eigenartigen Melodie einen langsamen Walzer. Ist dieser Tanz zu Ende, so springen etliche starke Männer heran, um den Samson zu „bremsen", denn der im Inneren verborgene Träger kann aus eigener Kraft den gewaltigen Schwung der fast 80 kg schweren Figur nicht mehr hemmen und käme dadurch wohl zu Schaden.

Der Samson erreicht eine Höhe von über 5.50 m; es geht auch die Sage, daß bei diesem Tanz ein Träger sich mit ihm sogar einmal das Kreuz gebrochen haben soll. Auch hat man den Riesen angeblich wegen der elektrischen Lichtleitungen vor etlichen Jahrzehnten einmal gekürzt; boshafte Zungen behaupten jedoch, dies wäre aber nur deswegen geschehen, weil in letzter Zeit sich kein so starker Mann gefunden hätte, der imstande gewesen wäre, das große Gewicht auf seine Schultern zu nehmen. Im Unterkleid des Samson befindet sich übrigens ein kleines Fenster, durch welches der Träger nach vorne Ausschau halten kann. Der Samson ist mit einem bunten, soldatischen Gewand angetan; er trägt auf dem Kopfe einen silbernen, mit Schwungfedern geschmückten Helm. In der einen Hand hält er eine Lanze, in der ändern eine Eselskinnbacke, während ihm an der Seite ein mächtiges Schwert herniederbaumelt.

Diese Sitte des Samsonumzuges ist uralt, sie reicht schon viele Jahrhunderte weit zurück. Der Sage nach soll dieser biblische Held ursprünglich in Wölting getragen worden sein, dessen Bewohner einst dieses Recht als Belohnung für ihre Tapferkeit im Kampfe gegen Margarethe Maultasch erhalten hätten.


Quelle: Michael Dengg, Lungauer Volkssagen, neu bearbeitet von Josef Brettenthaler, Salzburg 1957, S. 37