DIE SAGE VON DER "BLUTIGEN ALM"

Um 600 nach Christus drangen von Süden her slawische Völkerschaften in den Lungau ein. Bergnamen wie Gurpetschek und Granitzl sowie die der Orte Göriach, Lasaberg und andere mehr künden noch heute von dieser fernen Zeit.

Die Überlieferung berichtet auch, daß die Slawen die alte Römerstraße über den Tauern zerstört und dafür eine andere durch das Weißpriach- und Forstautal hinaus ins Tal der Enns geführt hätten.

In dieser Zeit soll es zu heftigen Kämpfen zwischen den Slawen und den Bajuwaren gekommen sein; letztere hatten ja schon seit der Völkerwanderung um 400 n. Ch. den größten Teil des Landes Salzburg besiedelt.

In einer solchen Schlacht auf einer Alm im Bundschuhtale, die an der Grenze zwischen Kärnten und Salzburg liegt, wurden die Bajuwaren geschlagen, wobei ihr Herzog Diet, ein Sohn des großen Bayernherzogs Tassilo, den Tod gefunden haben soll. Er liegt mit seiner Gemahlin Gleistrada in der Kirche zu St. Michael begraben. Die Alpe, auf der diese Schlacht geschlagen wurde, wird seither im Volksmund die „Blutige Alm" genannt *).

Eine alte Chronik berichtet darüber folgendes: „Dieser Zeit regierte Herzog Diet von Bayern das ganze Bayerland, denn sein Vetter Gerwaldt Herzog Thesel Sun (Sohn) war gestorben anno dei 612. Es war diese Zeit eine große Empörung, in Frankreich kriegten immerdar die Väter und Freunde mit einander, in solchem Getummel kommt Sankt Eustachius zu Herzog Dieth den 4. Baiern, predigt und lernt die Leut, Männer und Weiber. Also starb Herzog Dieth der viert, da man zählt hat nach Christi Geburt 630 er ward samt mit seiner Hausfrauen Gleistrat in der Kirche zu St. Michael im Lungau begraben. Er hinterließ zwei Söhne, die Herzoge Dietprecht und Thesell." Von der Kirche zu St. Michael aber, die eine der ältesten des Gaues ist, geht die Sage, daß sie durch einen unterirdischen Gang mit dem Sagenreichen Untersberg bei Salzburg verbunden wäre. In Inneren dieses Berges soll sich ein mächtiger Dom befinden, der über 200 Altäre und mehr als 30 Orgeln besitzt. In diesem Dome wird oft Gottesdienst gehalten, dem die in den Untersberg entrückten und dort versammelten Kaiser und Könige, Bischöfe und Fürsten sowie viel Volk beiderlei Geschlechtes beiwohnen. Eine große Schar von Mönchen besorgt den Gottesdienst und liest die Messe. Von diesem Dome aus führen zwölf Türen mit unterirdischen Gängen in verschiedene in- und außerhalb des Landes Salzburg gelegene Kirchen. So sollen solche Gänge in die Domkirche zu Salzburg, in die Kirche nach Reichenhall, nach Feldkirch in Tirol, nach Gmain, Seekirchen usw. führen. Durch diese unterirdischen Gänge wandern die im Untersberg hausenden Mönche, um bald in der einen bald in der anderen der zwölf Kirchen Gottesdienst zu halten.

*) Der Wiedererbauer des Schlosses Moosham, Graf Hans Wilczek, war im Besitze eines Schwertes, das ein Hirte auf der „Blutigen Alm" gefunden hatte.


Quelle: Michael Dengg, Lungauer Volkssagen, neu bearbeitet von Josef Brettenthaler, Salzburg 1957, S. 29