Die vier Wölfe

So hießen die vier Brüder, von denen die Sage erzählt, daß sie einst in Moosheim (Lungau) viel Unheil angerichtet haben sollen. Jeder derselben hatte seinen Spitznamen. Den einen hieß man den "Börger", weil er am liebsten in den Bergen sein Um wesen trieb und höchst selten herab ins Tal kam; den andern den "grindraudigen Thoma", weil er mit einem bösartigen Aussatze behaftet war; den dritten ob seiner schmucken und stattlichen Gestalt den "Schönmayr", den vierten endlich, der sich durch besondere Beleibtheit
auszeichnete, die "Stocknudel". Alle vier waren überaus verwegene Wildschützen und brachten den größten Teil ihres Lebens im Wildbanne zu. Um sich vor Verfolgung zu sichern, streuten sie im Volke aus, daß sie Zauberer seien und über den Teufel selbst Macht hätten. Da sie es endlich gar zu arg trieben, wurde einmal von Moosheim aus eine allgemeine Jagd nach ihnen gemacht. Der Vicedom von Moosheim stellte sich an die Spitze der großen Jagdgesellschaft. Da man wußte, daß die vier Brüder eine Salbe besäßen, die sie, wenn sie sich damit bestrichen, in Wölfe verwandelte, und davon auch häufig Gebrauch machten, so wartete man einen Zeitpunkt ab, wo dies der Fall war. Als man davon Anzeige erhielt, setzte sich der Jagdzug in Bewegung. Der Berg wurde mit Treibern umstellt und in immer engeren Kreisen gegen die Höhe getrieben, woselbst der gestrenge Herr Vicedom mit den anderen Schützen, den Hahn der Büchse gespannt, der vier Brüder harrten. Enger und enger zog sich die Kette der Treiber zusammen, näher und näher kamen die vier Wölfe dem Schußbereiche der Jäger, so daß sie sich schon verloren glaubten; da, im Momente äußerster Not, schlossen sie rasch einen Pakt mit dem Teufel, der sie flugs in vier Baumstrünke verwandelte. Kein Mensch ahnte in den vier Baumklötzen die gesuchten Brüder. Der Herr Vicedom, der die Treibjagd noch nicht so nahe wähnte, machte sich's oben - es war just Mittag - bequem, legte die Kugelbüchse beiseite, nahm eine Rolle Tabak und schnitt ihn auf jenem Baumstrunk, in welchem der "Börger" steckte. Der wollte vor Angst fast vergehen: denn, "wenn der Gnädige" - so gab er in seinem peinlichen Verhöre später an - "den Tabak mit einem Messer geschnitten hätte, auf dessen Klinge das Kreuzeszeichen eingegraben war, so konnte die teuflische Verblendung nicht bestehen." Aber es ging für diesmal gut ab, die Wölfe kamen glücklich davon und krochen später wieder in ihre Leiber.

Bald darauf wurden aber alle vier an der Sandbrücke gefangen und als Zauberer ungefähr um die Mitte des vorigen Jahrhunderts auf dem Passeggen hingerichtet.

Quelle: R. von Freisauff, Salzburger Volkssagen, Bd. I, Wien/Pest/Leipzig 1880, S. 255f, zit. nach Leander Petzold, Sagen aus Salzburg, München 1993, S. 79.