SCHLOß MAUTERNDORF UND SEINE GESCHICHTE

Wenn der Wanderer dem altehrwürdigen Markte Mauterndorf sich nähert, so sieht er schon von weitem die Türme eines Schlosses auftauchen, das malerisch auf einem Hügel sich erhebt. Es ist die uralte Feste Mauterndorf, das älteste Schloß im Lungau, das angeblich schon im Jahre 326 n. Chr. von den Römern zur Sicherung der hier vorbeiführenden großen Heerstraßen erbaut worden sein soll. Ein im Schloßhofe angebrachter weißmarmorner Gedenkstein erinnert noch an diese Zeit. — In der stürmischen Zeit der Völkerwanderung fiel auch dieses altrömische Kastell der Zerstörung anheim, wurde aber, als das Land an die Erzbischöfe von Salzburg kam, von diesen wiederhergestellt und erweitert. Wegen seiner herrlichen Lage diente es auch vielen Erzbischöfen zum Sommeraufenthalt. Besonders Erzbischof Leonhard von Keutschach (1495 — 1519) hielt sich gerne in diesem Schlosse auf, das er gründlich restaurieren und mit Wandmalereien und seinem Wappen schmücken ließ. Das Zimmer, welches er bewohnte, ist heute noch in seinem ursprünglichen Zustande zu sehen. Bis zum Jahre 1520 war das Schloß auch der Sitz eines Vizedoms (Landpflegers) und diente als Staatsgefängnis. Unter Leonhard von Keutschachs Regierung sollte hier der Bürgermeister von Salzburg mit 12 Ratsherren, die sich einer Verschwörung gegen den Erzbischof schuldig gemacht, hingerichtet werden, doch wurden sie auf Fürbitte hochstehender Persönlichkeiten wieder begnadigt.

In der Fehde zwischen Erzbischof Bernhard von Rohr und Kaiser Friedrich III., in welcher der erstere sich mit König Matthias von Ungarn verband, war das Schloß beinahe zehn Jahre lang von ungarischen Söldnern besetzt (1480 — 1490), was auch Veranlassung war, daß der damalige Dompropst Christoph Ebran von Wildenberg das Schloß mit Befestigungswerken versehen ließ.

In den darauffolgenden Jahrhunderten wurde das Schloß von den Erzbischöfen selten mehr bewohnt. Nach der Säkularisation Salzburgs kam das Schloß im Jahre 1807 unter die Verwaltung der Hofkammer, welche es im Jahre 1836 an Graf Welsberg-Reitenau verkaufte, der es wieder an Veit Mauser, Mühlthalerbräu in Mauterndorf, veräußerte. Das mittlerweile in den Besitz des Postmeisters Isidor Gugg übergegangene Schloß wurde im Jahre 1894 von Dr. Hermann Ritter von Epenstein aus Berlin erworben, der den schon arg in Verfall geratenen Bau einer gründlichen Erneuerung unterzog und ihn so vor dem gänzlichen Verfalle bewahrte. Schloß Mauterndorf ist ein rein gotischer Bau. An der Nordseite des inneren Schloßhofes erhebt sich der sagenhafte Faulturm, in welchem früher die Gefangenen schmachteten. Ein Riesengemälde, St. Christoph mit dem Jesukinde darstellend, ziert die Südseite des Turmes. Außer dem schon erwähnten Keutschach-Zimmer und mehreren Sälen ist besonders die Kapelle eine Sehenswürdigkeit. Hier befindet sich ein prachtvoll geschnitzter altgotischer Flügelaltar von hohem Werte, der sowohl wegen seines Alters als auch wegen seiner kunstvollen Ausführung sehenswert ist. Auf dem rechten Altarflügel ist zu Füßen der beiden Heiligen der Stifter dieses Altares, Kardinal Burkhard von Weißpriach, kniend dargestellt. Daneben befindet sich sein Wappen. Die Kapelle besitzt auch noch mehrere prachtvolle Meßkleider und Missalien aus Leonhard von Keutschachs Zeit. Sie ist dem heiligen Kaiserpaar Heinrich und Kunigunde geweiht, welches dies Schloß samt Landgut anno 1002 den Salzburger Erzbischöfen zum Geschenke machte. Im letzten großen Krieg ging das Schloß durch Erbschaft in den Besitz von Reichsmarschall Hermann Göring über; zur Zeit der Drucklegung dieses Buches sind die Besitzverhältnisse noch immer ungeklärt.


Quelle: Michael Dengg, Lungauer Volkssagen, neu bearbeitet von Josef Brettenthaler, Salzburg 1957, S. 66