Der Mäusemacher

Der Zauberer-Jackl hatte es besonders auf die jungen Leute abgesehen, die er seine Künste lehrte. Ein also unterrichteter Knabe saß einmal nahe dem Wege, der nach Moosham führte. Er hielt ein Stäbchen in den Händen und schnitt davon Späne ab, von denen sich jeder in ein kleines Mäuschen verwandelte. Da kam der Gerichtsscherge des nahen Pflegegerichts zu Moosham unversehens des Weges und sah dem sonderbaren Treiben des Knaben zu. Als dieser des Schergen ansichtig wurde, erschrak er und wollte eilends entfliehen. Doch der Gerichtsscherge hielt den Knaben an und befragte ihn nach seinem seltsamen Tun, das er vorhin bei ihm beobachtet hatte. Der Knabe versuchte anfangs zu leugnen, aber durch das scharfe Auftreten des Gerichtsboten eingeschüchtert, erwiderte er voll Angst: "Ich kann nichts, aber die andern können viel, sie sind meine Lehrmeister." Und er nannte all die Zauberer, so den Zauberer-Jackl, die vier Wölfe, die Staudinger-Hexe und viele andere. Der Knabe erzählte auch von der von den Zauberern zubereiteten Salbe, welche sie auf 24 Stunden in Wölfe verwandeln könne. Auch ihn hätten die Wölfe einst mit einer Hexensalbe
bestrichen, wodurch er in einen Wolf umgewandelt wurde; als solcher habe er einmal Jagd auf Pferdefüllen gemacht, und da habe ihm eines mit dem Hinterfuße das Kinn entzweigeschlagen; davon rühre die an ihm sichtbare Hasenscharte her, sie sei das untrügliche Kennzeichen aller Zauberer und Hexen.

Auf die Aussage des Knaben hin wurden alle der Zauberei verdächtigen Personen eingefangen und nach Moosham geliefert, um nach einem schrecklichen Hexenprozesse auf dem Passeggen hingerichtet zu werden.

Quelle: Michael Dengg, Lungauer Volksleben. Schilderungen und Volksbräuche, Geschichten und Sagen aus dem Lungau, Tamsweg 1913; neu bearbeitet von Josef Brettenthaler, Salzburg 1957, S. 171 f.