Geig´n a da Nåcht...

Öffnet Musik eventuell ein Tor in eine andere Welt? Seit es den Menschen gibt, lässt er sich von Musik faszinieren, aber auch abschrecken. Und auch in der Literatur wurde schon einiges über dieses faszinierende Medium geschrieben. Am meisten beeindruckt war ich von der Geschichte „Die Musik des Erich Zann“ vom amerikanischen Autoren H. P. Lovecraft. Ging es darin doch um einen begnadeten Musiker, der es mit seiner Geige zustandebrachte ein Tor zu einer anderen Welt zu öffnen – anderen ist vielleicht die Kinderserie „Oliver Maas“ bekannt, in der ein junge mittels seiner Geige in die Zukunft sehen kann. Eine etwas andere Geschichte kam mir einst bei uns zu Ohren:

Unruhig, aufgeregt und ängstlich lag einst ein etwa zehnjähriges Mädchen aus Enzenkirchen in ihrem Bett und wälzte sich von eine Seite auf die andere. Seltsame, düstere Träume quälten sie – von einer Gruppe von eigenartigen Spielleuten, in alten Kleidern, die traurig tänzelnd auf ihren Geigen spielten und dabei entlang eines Hügelkammes schritten in Richtung eines Waldes. Ihre Gesichter dunkel verhüllt, angeführt von einem Reiter mit einer fürchterlichen Larve über dem Gesicht, immer dem Vollmond entgegen, getrieben von einer unheimlichen Macht, gepeitscht, ohne Willen, einer Freveltat huldigend. In der Ferne traurige Frauenstimmen blasphemische Lieder singend, begleitet von der Symphonie des Windes. Dem Tross folgend eine uralte, in weiß gehüllte Frau, mit vielen kleinen Kindern, die um sie herumtänzelten, während der Jüngste, und somit auch Kleinste, kaum den anderen folgen konnte, und immer wieder über den Zipfel seines zu langen Nachhemds stolperte. Vom Walde verschluckt verschwanden sie alle eingehüllt vom Dunkel der Nacht. Einzig ein einzelner Geigenspieler harrte weiter im größten Sturme alleine auf einem Hügel und spielte mit dem Vollmond im Hintergrund eine Melodie, die nicht von dieser Welt sein konnte. Die Wolken tanzten zu den aufeinanderfolgenden Töen, willenlos nach seinem Takt, verhüllten einmal den Mond, um ihn kurz darauf wieder hervorzuzaubern. Die Magie der Melodie, diktierte den Takt des letzten Akt, jener ungeheuerlichen Gewalt der Natur, die in Form von schrecklichen schwarzen Schatten mit der Silhouette von Wölfen auf den Musiker einstürmten und ihn zerrissen.

Aufgewacht von diesem schrecklichen Szenario und schweißgebadet fand sich das kleine Mädchen aus der Welt der Träume zurückgelangt in der Realität. Tief durchatmend, lag sie geschafft auf ihrer Liegestatt und zitterte am ganzen Körper, während draußen am Balkon chinesische Glockenstäbchen vom Wind gewiegt leise Töne von sich gaben, die das Mädchen weder beruhigten noch entspannten, spielten sie doch die selbe Melodie, die sie gerade in ihrem Traum gehört hatte. Das Spiel der Glockenstäbchen mündete in ein Geigenspiel, das nun aber nicht mehr von draußen nach innen drang, sondern vom Dachboden zu ihr ins Zimmer floss. Brachial und monströs strömte es die Stiege herunter und befahl ihr den Tönen zu folgen. Der Geist, dem Befehl sich widersetzend, brach und lotste das arme Mädchen die Stiege hoch auf den Dachboden. Nachdem sie die Türe in diesen geöffnet hatte, tänzelte sie, wie die Spielleute in ihrem Traum, im Raume herum, bis sie im Licht, des durch das Dachbodenfenster, dringenden Mondes, sie die Umrisse eines Geigenspielers sah, der von dort aus wiederum die Wolken befehligte, die draußen zu erkennen waren. Darunter jene alte weiße Frau mit ihrer Schar von Kindern auf das kleine Mädchen wartend.

Kommentar:

Geig´n a da Nåcht: Basierend auf einem Traum, den Katrina Eichinger 2005 hatte, konstruierte ich diese Geschichte. Sie träumte von einem unheimlichen Geigenspieler, der immer auf dem Dachboden ihres Elternhauses spielte.

Quelle: Roger Michael Allmannsberger, Sagen aus Enzenkirchen, Teil 2.