Man soi de Tädn ruahn läss´n...

Wer hat noch nicht in alten Familienalben Fotos betrachtet und dabei Geschichten erzählt, oder sich erzählen lassen. Zugegeben ein wenig unheimliches Unterfangen. Es sei denn man kommt auf ähnliche Ideen, wie einst jener kleine Junge, der daneben saß, als seine Oma und Mutter alte Fotos von seinen Vorfahren betrachteten. Ein Foto sollte ihm dabei zum Verhängnis werden, als sie nämlich zu einem Portrait seiner Ururgroßmutter kamen und er diese sah, hegte er mit einem Male den innigen Wunsch diese einmal zu sehen, wenn es ihm auch unmöglich erschien, weil die Betreffende schon seit über 50 Jahren tot war. Es dauerte nicht lange, dass er ins Bett gehen musste, nächsten Tag wartete nämlich wieder der schnöde Schulalltag auf ihn – und auch das Sandmännchen ließ nicht lange auf sich warten. Der Gedanke an seine Ururgroßmutter ließ ihn aber nicht mehr los, also kam sie ihm auch im Traum unter – in diesem redete sie immer mit ihm, aber er verstand kein Wort – dies ging so lange vor sich, bis er plötzlich schweißgebadet aus seinem Traum aufwachte. Der Schrecken war aber noch nicht vorüber, denn kaum hatte er seine Augen geöffnet, stand vor ihm mitten im Zimmer seine Ururgroßmutter und sah ihn genauso an, wie auf dem Foto. Am liebsten hätte sich der Junge jetzt unter seiner Decke versteckt, aber die Angst und der Schrecken hatten ihn derart erfasst, dass er sich keinen Millimeter rühren konnte, während ihn seine Ahnin nur still anstarrte. Erst nach einem quälendem Zeitraum konnte sich der Junge umdrehen und unter seiner Decke verkriechen, wo er aber weiterhin Blut und Wasser schwitzte, schließlich aber doch einschlief. Am nächsten Tag war für ihn alles nur ein Traum gewesen, aber insgeheim wusste er, dass er in der Nacht Besuch aus dem Jenseits hatte. Von diesem Tag an schaute der Junge nie wieder alte Fotos, denn wer weiß, vielleicht hätten ihn dann auch noch andere besucht?

Quelle: Silvio Allmannsberger o. J.
Roger Michael Allmannsberger, Sagen aus Enzenkirchen, Teil 1.