G´leitat...

Irgendwie muss sich irgendwann in der Vergangenheit ein größeres Unglück zugetragen haben, denn ansonsten wäre wohl jene Episode, die ich nun erzählen will niemals aufgetaucht.

Wenn wir heute vom Ort Enzenkirchen in Richtung Hacking schauen, wird unsere Sicht sofort eingeengt durch eine kleinen Hügelkamm der sich mit einigen Wäldern entlang der ganzen südwestlichen Grenze unserer Gemeinde erstreckt. Er erscheint wie eine geistige Barriere, jedenfalls fragte ich mich als kleiner Junge oft, was wohl hinter diesem Kamm sein könnte. Ich wusste, irgendwo auf der anderen Seite musste unsere Nachbargemeinde Sigharting liegen, aber was war dazwischen? Eines Tages musste ich es dann endgültig wissen, mein Forscherdrang war nicht mehr aufzuhalten, also nahm ich mir ein Herz und erklomm diesen Hügel und war erstaunt, als ich sah, dass zwischen der Hügelkette und Sigharting eigentlich noch eine ziemlich große Fläche von Feldern war. Vorher dachte ich mir, ich würde einfach auf der anderen Seite hinuntergehen und da würde Sigharting liegen. Ich stand also dort oben, auf genau jenem Stück Erde, das sich zwischen dem Hackingerholz und dem Dichtlwald befindet und über das man folgendes erzählt:

Einst war dieser Platz ein beliebter Weideplatz für Kühe, da der Hügel, nicht so wie heute, voller Felder sondern üppiger Weidewiesen war. So gut es ging wurden dort das ganze Jahr über Rinder geweidet und gaben dank der saftigen Wiesen reichlich Milch. Vielleicht lag es an der ruhigen Lage dort oben, wo die Tiere ungestört die Tage verbrachten. So zufrieden wie die Kühe, so waren auch die Bauern durch den Ertrag den das Vieh einbrachte. Viele Jahre hindurch erfreuten sie sich am Gedeihen der Kühe. Eines Tages aber erwachten sie aus diesem Traum und der Schrecken war groß, als alle Kühe über Nacht verendet waren. Etwas Fürchterliches musste ihnen widerfahren sein. Eigenartigerweise waren alle unverletzt und friedlich lagen sie auf dem Gras als würden sie schlafen. Anfangs beschuldigte man andere Bauern, dass sie einem die Tiere vor Neid vergiftet hätten. Die Gendarmerie wurde eingeschaltet, aber auch sie konnte nichts machen und so geriet die Angelegenheit in Vergessenheit. Nur der Schmerz blieb. Niemand führte jemals wieder seine Tiere dorthin zur Weide, denn kurz nach dem Tod der Kühe vernahm man immer mehr Gerüchte, dass man in dunklen Nächten immer öfter das Geläute von Kuhglocken droben vom Hügel vernahm, wenn auch kein einziges Tier dort war. Was auch immer in dieser schrecklichen Nacht geschehen war, eine innere Stimme, oder auch ihr nüchterner Hausverstand, warnte die Bauern davor nie wieder ihre Tiere dorthin zu treiben; denn auch heute noch, so erzählt man sich, kann man zu bestimmten Zeiten im Jahr ihre Glocken läuten hören. Kaum kenntlich in einem dichten Nebelschleier soll man dann die verendeten Kühe sehen, die fröhlich dort weiden.

Quelle: Stadler Johann, o. J.
Roger Michael Allmannsberger, Sagen aus Enzenkirchen, Teil 1.