DIE ALTE VOM SCHAFBERG

Einmal giengen zwei Geschwister, ein Mädchen und ein Knabe, in den Wald, der sich am Schafberge hinaufzieht, um Blumen und Beeren zu brocken (pflücken). Während sie sich so beschäftigten, gewahrten sie ein altes Weiblein, welches auf ihren Krücken mühsam einherwackelte. Als es die Kinder sah, rief es dem Knaben zu, er möge zu ihr kommen, sie wolle ihm Beeren geben. Dabei zeigte sie ihm einige goldene Beeren, welche sie aus ihrem Korbe hervorzog. Der Knabe ging arglos zu ihr hin; da sagte sie, er möge ihr die Krücke aufheben, welche auf den Boden gefallen war. Während er sich bückte, ihr Verlangen zu erfüllen, schwang sich die Hexe auf seinen Rücken und jagte mit ihm davon. Der Knabe konnte die Hexe nicht abschütteln und mußte sie einige Stunden lang auf seinem Rücken herumtragen. Das Mädchen war nach Hause geeilt und hatte erzählt, was sich mit ihrem Bruder begeben hatte. Als nun die Eltern ausgiengen, den Knaben zu suchen, fanden sie ihn mit zerschmettertem Körper am Fuße eines hohen Felsens liegen, mit seinem eigenen "Schnitzer" (Taschenmesser) in der Brust, so daß sein ganzes Hemd mit Blut übergossen war. Zur Strafe dafür muß die Hexe jetzt ohne Ruhe und Rast an derselben Stelle umgehen, bis der Platz siebenmal Feld und siebenmal wieder Wald geworden ist. Die Landleute aber bekreuzen sich, sooft sie an der Stelle vorübergehen.


Quelle: Oberösterreichische Volkssagen. Gesammelt von Kajetan Alois Gloning. Ried 1884. S. 41