DAS KESSELMÄNNLEIN VON POINT

Auf der sogenannten Point begegnete einem armen Burschen einst ein kleines graues Männlein. Der Bursche gesellte sich zu diesem und als das Männlein sah, daß sich derselbe, trotzdem die Geisterstunde schlug, nicht vor ihm fürchtete, so fragte es, ob er nicht gerne reich werden wolle? "Freilich, warum denn nicht?" gab der Bursche schnell zur Antwort. "Nun gut", sagte das Männlein, "komme heute über drei Nächte wieder hieher, ich werde Dir einen großen Schatz zeigen, Du darfst aber dabei kein Wort sprechen, was Du auch sehen und hören wirst". Der Bursche versprach es. Als die dritte Nacht grausig, stürmisch und stockfinster kam, ging der Bursche beherzt zu dem Platze, wo das Männlein bereits seiner wartete. "Jetzt komme!" sprach es barsch, "ich will Dir den Schatz zeigen". Der Bursche, eingedenk seines Versprechens, sprach kein Wort und schritt mit ihm dem Walde zu. "So", sagte das Männlein, "schaue da in die Grube und hilf mir den Kessel da heraufheben, er gehört Dir". Aus dem Kessel aber glänzte dem erstaunten Burschen hell wie der Sonnenglanz lauter Gold entgegen. Der Bursche arbeitete aus Leibeskräften, um ihn tanzten die Hexen, der Tod und alle Teufel der Holle, und trotzdem, daß ihm der Angstschweiß von der Stirne rann, kam kein Laut des Entsetzens über seine Lippen. Der Kessel hob sich immer mehr und mehr und ein Ruck noch und er mußte heroben und sein Eigentum sein.

Auf einmal tönte dem Burschen eine bekannte Stimme entgegen, er sah auf und erschaute die Mutter, die ihm verwundert zurief: "Hansel, was machst denn Du da!" "'s Gold nimm i", war die Antwort. Da klatschte ihm eine schallende Ohrfeige auf die Wange und der fast gehobene Kessel polterte in die Tiefe zurück, wo er noch immer liegt.


Quelle: Carl Calliano, Niederösterreichischer Sagenschatz, Wien 1924, Band I, S. 22