DAS GABLERKREUZ BEI WEIDLING
(Das Schwarze Kreuz in Klosterneuburg)
Das schwarze Kreuz in Klosterneuburg © Harald Hartmann
Das Gablerkreuz oder "Schwarze Kreuz" in Klosterneuburg
© Harald Hartmann


Außer dem Tore von Klosterneuburg führt ein angenehmer Weg über Höhen und grünen Abhängen nach dem Dorfe Weidling. Auf diesem Wege zieht ein altes Denkmal die Aufmerksamkeit des Wanderers auf sich. Es ist das sogenannte Gablerkreuz, eine große Steinsäule, mit dem Bilde des gekreuzigten Heilandes geziert. An der Rückseite desselben ist folgende Inschrift ausgehauen:

„0. A. M. D. C.
Ach, Christenmensch, hör an, was ich dir wil sagen,
so sich allhie vor Zeiten hat zugetragen,
in diese Bildnis wart gottes lästerlich geschlagen
durch trunkene Bösewicht, daraus geflossen
sodann rosenfarbnes Blut,
wie solches wahre Aussag bezeuget thut.
Auf das hernach der Orten in Lüften
von Teufel Einer zerrissen in Stücken.
Solches ist geschehen um das 1562. Jahr,
als die lutherische Ketzerei gemein war"

Auf der andern Seite sieht man das Kreuzbild und darunter ein doppeltes Wappenschild mit der Aufschrift:
„S. Durchl. Maxmilian Heinrich Churfürst zu Kölln hat Anno 1672 die Bildniß lassen erhöhen."

Das schwarze Kreuz in Klosterneuburg © Harald Hartmann

Das Gablerkreuz oder "Schwarze Kreuz" in Klosterneuburg
Im Hintergrund die Anhöhe des Bisamberges und das Stift Klosterneuburg
Wandmalerei in der Einfahrt eines Weinbauern
© Harald Hartmann

Die Sage berichtet von diesem Steinbilde folgendes: Im romantisch gelegenen Dorfe Weidling lebte in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in einem kleinen Häuschen. Ein Weib- und kinderloser Weinhauer von rohen Sitten und bösem Lebenswandel; er hieß Hans Gabler. Da er mehr Zeit beim Weinkruge, als bei der mühevollen Bestellung seines Weingartens zubrachte, so verschlimmerten sich seine Vermögensumstände in einigen Jahren. sosehr, daß er nichts mehr zum leben hatte und die Gaben und Steuern schuldig war; Diesen Mann hatte auch der damalige Reformationsgeist schwindelnd gemacht. „Es trinke ein jeder, so viel er nur kann, das Einz'ge ist wahr und das Übrige Zweifel, - es hol' mich", sprach er, „wenn's anders, der Teufel."
Eine natürliche Folge der Vernachlässigung seines Weingartens war, daß Gabler auch in den segenreichsten Jahren eine schlechte Fechsung machte. Eines Tages. ging er nach Besichtigung seines Gartens mit berauschtem Kopfe im Nachhausegehen bei dem Kreuz bilde nach Klosterneuburg, damals das schwarze Kreuz genannt, vorüber; sein wilder Blick fiel auf das Schmerzensbild. des daran hängenden Heilandes und im Weintaumel stieß er dagegen gräuliche Verwünschungen aus. Allein er ließ es dabei nicht bewenden; zum höchsten Frevel gestimmt, erhob er den mit einer Gartenaxt bewaffneten Arm und schlug damit in den gekreuzigten Erlöser, so daß aus dem Bilde hellrotes Blut hervorströmte. Verzweiflung ergriff bei diesem wunderbaren Ereignisse den Übeltäter; von den Furien des Gewissens gejagt, stürzte er in eine Steinschlucht, wo er seinem Dasein mit einem Taschenmesser ein blutiges Ziel setzte. Das Volk behauptete aber, es habe den Frevler der Satan geholt. Wir schließen diese Notiz mit einer Strophe aus einem Gedichte, welche uns zugleich die Entstehung eines noch üblichen Volksausdruckes erklärt:

„Noch spalten die Reben zweizackig sich aus
Im übel gehauenen Garten,
Dicht dringet das Unkraut vom Boden heraus,
Den fleißige Hauer nicht warten;
Das ganze Gebirge verödet in Graus,
Ja, meinet nicht etwa, ich sag es als Fabler:
Drum heißet der Mißwachs noch heute der Gabler."
(J. Gebhart.)


Carl Calliano: Niederösterreichischer Sagenschatz, Bd. II, S 147, Wien 1926

Anmerkung: Der Name "Gablerkreuz" ist heute bereits vergessen und die Bildsäule nur mehr unter dem Namen "Schwarzes Kreuz" bekannt.