DER FALKNER VON KREUZENSTEIN

Unter den Jägern war einst ein berühmter Falkner, der seinen Beruf mit Lust und Liebe ausübte. Gar manchen Falken hatte er gezähmt zur Freude seither Herrin und hohes Lob des Burgherrn ward ihm darob zuteil.

Falkner vor der Burg Kreuzenstein © Harald Hartmann

Falkner vor der Burg Kreuzenstein.
© Harald Hartmann, November 2008

Eine Gewohnheit hatte der Mann, die ihm oft den Spott der anderen eingetragen: ritt er an einem Gottesacker vorüber, trat er ein und betete, auch wenn er es noch so eilig hatte. Als ihn eines Tages ein Ritter fragte, warum er bei seiner Frömmigkeit nicht Mönch werde, meinte er, daß er zum Mönch nicht tauge, weil er die Jägerei nicht missen wollte; dabei bliebe ihm übrigens Zeit genug zu beten.

Harte Zeiten waren über Kreuzenstein hereingebrochen, der Burgherr war in eine Fehde verwickelt worden, die einen schlechten Ausgang zu nehmen schien. Den hintanzuhalten, rief er eines Nachts den Falkner zu sich und befahl ihm, auf Kundschaft auszureiten. Wortlos nahm er den Befehl entgegen, ließ sein Pferd satteln und trabte hinaus in die stockdunkle Nacht. Vor dem Friedhofe am Fuße des Burgberges hielt er an, trat ein und verrichtete ein kurzes Gebet.

Friedhof von Leobendorf © Harald Hartmann

Der Friedhof von Leobendorf am Fuße des Burghügels der Burg Kreuzenstein .
© Harald Hartmann, November 2008

Kaum aber hatte er seinen Rappen bestiegen, brach eine Schar Gewappneter aus dem Gehölz hervor, umzingelte ihn, um ihn als Gefangenen abzuführen. Schon glaubte sich der Falkner verloren, als ein seltsames Brausen die Luft erfüllte und vom Kirchhof her eine Ritterschar in langen Totenlinnen, in den Knochenhänden flammensprühende Schwerter, auf gespensterhaften Pferden rreitend, ihm zu Hilfe eilte. Vor Schreck starr, ließen die Feinde von dem Gefangenen ab und flohen entsetzt nach allen Windrichtungen. Da wandte sich das Totenheer und verschwand rasch, wie es erschienen war, im Friedhof. In unaussprechlicher Freude über seine wunderbare Rettung schickte der Falkner heiße Dankgebete gegen Himmel. Nach kurzem Ritte erstattete er seinem Herrn Bericht über die Nähe des Feindes und sein seltsames Erlebnis.
(Dirnböck-Schulz.)

Quelle: Carl Calliano, Niederösterreichischer Sagenschatz, Bd. V., Wien 1936, S. 135