Die Lorelei der Wachau

Eine ganz ähnliche Sage wie sie von der Lorelei am Rheine bekannt ist, lebt auch in der Wachau. Hier saß ebenfalls dereinst eine Nixe hoch oben auf einem Felsen, und zwar dort, wo nachher die Burg Aggstein erbaut wurde. In mondhellen Nächten sahen sie die Donauschiffer auf der hochragenden Felsklippe ihr goldenes Haar kämmen. Dabei sang die Fee bezaubernd schöne Lieder. Zu diesen Weisen tanzten ihre neun Töchter auf den Silberkämmen der Stromwogen ihren Reigen. Gar mancher Vorbeifahrende wurde durch solche Erscheinungen so betört, daß er ganz aufs Rudern vergaß und sein Kahn im wild dahinstürmenden Gewässer umkippte. Da lachte die Elfe jedes Mal gell auf, stürzte sich in mächtigem Schwunge von ihrem Felsensitze in die Flut, zog den Schiffer hinunter auf den Grund des Stromes in ihren Wasserpalast, wo auch der Goldhort der Amelungen verborgen liegt. Dort hielt sie die Seele des Ertrunkenen unter einer Glasglocke gefangen.

Quelle: Sagen der Wachau, Hans Plöckinger, Krems a. D. 1926, Nr. 31, S. 39