Die goldenen Aposteln

Ein angesehener Maurermeister des Marktes Furt, der zu-gleich Kastner des Stiftes Göttweig war, wurde als besonderer Vertrauensmann dereinst in der Johannisnacht mit Maurerzeug ins Kloster hinauf berufen. Oben gingen der Abt, der Prior und der Stiftssenior mit ihm in den Keller, verbanden ihm dort die Augen und führten den Meister dann lange in schmalen Gängen herum. Endlich nahm man die Binde ab. Er sah sich nun in einem ganz aus den Felsen gehauenen Raume, der nach seiner Vermutung lief im Innern des Berges gelegen sein mußte. An der einen Seite war eine vermauerte Türöffnung, welche er aufzubrechen hatte.
Nun trat man in eine Felsenkammer, in der 12 Apostelstandbilder aus purem Golde aufgestellt waren. Die Stiftsherren zählten sie, besahen sie genau und schoren ihnen die Bärte. Nachdem die goldenen Haare sorgsam verwahrt waren, mußte der Maurer die Kammeröffnung durch genaues Verputzen wieder ganz unkenntlich machen, hierauf wurden ihm abermals die Augen verbunden und nach langem hin- und herwandern gelangte er mit den Herren ans Tageslicht.

Lange Zeit stieg der Maurermeister alljährlich mit hinab zu den goldenen Aposteln. Jedes Mal gab es reichen Ertrag, da die goldenen Bärte stets nachgewachsen waren. Anläßlich des Kloster-Neubaues mußte allerdings ein Apostel ganz versilbert werden, da sehr viel Geld gebraucht wurde, das Scheren der übrigen brachte aber immer noch Geld genug.

Quelle: Sagen der Wachau, Hans Plöckinger, Krems a. D. 1926, Nr. 85, S. 90f