Die Geldwand im Geißstallgraben

Vom schönen Windstalgraben bei Rossatzbach zweigt unter anderen das im Volksmunde als Goaßstallgraben bezeichnete Seitental ab. Eine in diesem aufsteigende Felswand heißt Edie Geldwand", da hinter ihr Schätze verborgen sein sollen, welche nur während der Christmette oder der EPassion" am Charfreitag [Karfreitag] sichtbar werden. Man erzählt von Bottichen voll Silbergeld. Von dieser Geldwand nun, die sogar ein Schlüsselloch aufweist, werden mehrere Geschichtlein berichtet.

Einmal kam ein Weib mit seinem Kinde dorthin, sah die Schätze, nahm sich eine ganze Schürze voll und eilte damit heim. Auf das Kind hatte sie in ihrer Geldgier ganz vergessen. Zu Hause fanden sich in der Schürze nur Mist, Kot, Kohlen, Streu und dergleichen. Die enttäuschte Frau wurde sich jetzt erst bewußt, daß das Kind bei der Geldwand zurückgeblieben sei. Sie lief sofort zurück, allein dieses und alle Schätze waren verschwunden. Als das Weib im nächsten Jahre um dieselbe Zeit zur Felswand kam, war das Kind wieder da. Auf die Frage, wo es denn gewesen sei, antwortete es: "Bei einer schönen Frau, die mir immer zu essen gab."

Ein anderes Jahr sind zur gewissen Zeit drei Männer gegen die Geldwand zu gegangen, unter welchen einer eine rote Haube auf dem Kopfe hatte. Auf sie kamen die bösen Geister zu. von denen einer sagte:

"Nehmen wir halt den".

Er wies dabei auf den Mann mit der roten Haube. Dieser aber schrie:

"Ja, warum denn gerade mich?"

Im Nu war darauf der Spuk aus. Jener hätte nichts reden sollen, dann würde er die Bekanntschaft mit den Geistern gemacht haben.

Gegen diese konnte man sich nach der Ansicht alter Leute auch sichern, wenn zu der unheimlichen Wand ein Rosenkranz oder andere geweihte Gegenstände, selbst Semmelbrösel hingetan wurden. Einstens sei aus ihr sogar ein Geistlicher herausgewandelt gekommen.

Quelle: Sagen der Wachau, Hans Plöckinger, Krems a. D. 1926, Nr. 65, S. 73f