Das Mandl ohne Kopf.

Des Krieges Leid und Last haben die Kremser im langen oder dreißigjährigen Kriege genugsam erfahren. Gegen Ende März des Jahres 1645 mußte sich die Stadt gleich dem benachbarten Stein den Schweden ergeben und selbe hausten mehr denn ein Jahr darin als in feindlichem Gebiete. Wohl schritt der kommandierende General mit Spießrutenlaufen dagegen ein, wenn sich einzelne Soldaten Mißhandlungen der Bürger und Plünderungen auf eigene Faust zuschulden kommen ließen, jedoch Brandschatzung, Einquartierung und erzwungene Fronen drückten die in böser Zeit ohnedies verarmten Bewohner schwer genug. Hiezu kam noch, daß der Krieg durch der Schweden Eingreifen zum Religionskriege geworden war und die katholischen Kremser ob ihres Glaubens nicht wenig bedrängt wurden. Wohl ward ihnen verstattet, in der Frauenkirche auf dem Berge, wo die Väter der Gesellschaft Jesu ihres geistlichen Amtes walteten, ihrem päpstlichen Glauben nachzuleben, die Pfarrkirche des heiligen Veit aber nahmen die lutherischen Schweden für sich und setzten einen Prädikanten ein, daß er das reine Wort künde und das Abendmahl in beiden Gestalten austeile.

Ganz besonders war den Reformierten der katholische Bilderdienst ein Dorn im Auge, und hatten sie es namentlich auf die Kirche der Jesuitenpatres abgesehen, als welche es zu allen Zeiten lieben, der menschlichen Schwäche durch bildliche Versinnlichung der Glaubensgeheimnisse und sittlichen Anforderungen nachzukommen. Deshalb hatten sie auch die Stiege, so geradenwegs zu ihrem Kloster führte, sowie den Umgang an der Kirche und diese selbst mit Gemälden und Statuen, das Leben und Leiden Christi und der Gottesheiligen darstellend, überaus reich und anmutig Zu sehen, verziert.

Nun war ein schwedischer Offizier ein ganz ausnehmender Feind solcher Art, Gott und den lieben Heiligen zu dienen. In seiner Bosheit bohrte er die Spitze seines Schwertes unter höhnischen Reden in die Augen der Statuen und kam so, seinen Frevel wiederholt verübend, in die Kirche selbst, wo eben ein dienender Bruder des heiligen Ordensstifters Ignatius Statue mit Kränzen und Kerzen schmückte, dieweil Tags darauf als am 31. Juli das Gedächtnis seines seligen Hinscheidens festlich begangen werden sollte.

Wie nun der Offizier erfuhr, wes Vorhabens die Patres mit dem Bildnisse dieses starken Feindes der Reformation seien, schwang er mit einem Fluche sein Schwert, und des Bildnisses Kopf rollte, dumpf aufschlagend, auf den Steinfliesen der Kirche dahin.

Aber wie bald sollte solch empörende Untat gerächt werden! An eben dem Gedächtnistage des im Bilde so schmählich enthaupteten Heiligen ritt der Offizier inner der Bastionen die Wachen ab, darauf achtend, daß sie ihrer Pflicht getreulich nachkamen. Denn bereits belagerten die Kaiserlichen die Stadt, hatten auch, wie ein alter Kupferstich zeigt, ihre Kartaunen und Mörser aufgefahren und ließen selbe gegen die Mauern und Türme trefflich spielen.

Eben kam nun besagter Offizier auf feinem Pferde in die Nähe des an höchster Stelle aufragenden "Lueg ins Land" oder Pulverturmes, da flog von der Höhe, so am linken Ufer des Kremsflusses sich hebt und "Am Steindl" genannt wird, eine Kugel herüber und riß dem Frevler den Kopf ab, so daß er weit in die Gasse geschleudert wurde und der Leib vom aufbäumenden Pferde fiel.

Wie die Chronik meldet, hielten selbst die Schweden dafür, es sei dies erschröckliche Ende eine sichtbarliche Strafe Gottes, enthielten sich demnach auch des ferneren in Krems des Bildersturmes.

Alte Leute wollen wissen, dieses frevelnden Offizieres Geist habe bis zur Gegenwart die Ruhe nicht gefunden. Des öfteren sehe man ihn auf feurigem Rosse durch die Auen reiten oder seufzend die Liebfrauenkirche umirren.

Zum Gedächtnisse aber an die erschreckliche Begebenheit sieht man dort, wo der Frevler geendet, eine Steinfigur, darstellend einen gepanzerten Krieger ohne Kopf ... ist zum Wahrzeichen der Stadt Krems geworden.

Quelle: Wachausagen, Erzählt und allen Freunden der goldenen Wachau gewidmet von Josef Wichner. Krems an der Donau. [1920]. S. 82 - 85.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Lisa Lemberg, Jänner 2005.