DER GEBROCHENE BOGEN DES KAISERS

Einige vertreten, gleich Herrn Fugger im "Ehrenspiegel", die Meinung, daß Graf Albrecht von Babenberg, der durch die List des Erzbischofs von Mainz, Hatto, von König Leopold IV. enthauptet worden war, zwei Söhne hinterließ, Albert und Leopold, welche beide wegen ihrer Tapferkeit von König Heinrich I. in die Mark Österreich gesandt worden waren, um die Reichsgrenzen gegen die Ungarn zu schützen. Graf Leopold, auch Illustris — der Durchlauchtige — genannt, der ohne Erben starb, war der erste gewesen, der von Kaiser Otto II. mit dem österreichischen Erbe belehnt worden war.

Lazius hingegen erzählt, daß im Kloster Melk eine Chronik Leopolds des Tugendreichen aus dem Jahre 1174 aufbewahrt wird, die folgendes berichtet:

Der enthauptete Graf Albrecht hinterließ einen Enkel namens Leopold, der sich während seiner Jugend am Hofe König Heinrichs I. aufhielt und die Markgrafschaft folgenderweise bekam: Eines Tages begab sich König Heinrich I. in Begleitung Leopolds auf die Jagd, und es dauerte auch nicht lange, bis der König ein prachtvolles Wild sichtete, in seinem Jagdeifer den Bogen aber zu hart spannte, so daß dieser zerbrach und er selbst in Lebensgefahr geriet. Da reichte ihm aber der Babenberger Graf Leopold, ein starker Jüngling, hurtig seine eigene gespannte Armbrust, so daß Heinrich das Wild doch noch erlegen konnte. Der König, hocherfreut über die Schnelligkeit und Tapferkeit des Jünglings, versprach diesem, ihm das nächste freiwerdende Land als Lehen zu übergeben. Zum Zeichen des königlichen Versprechens reichte der König Leopold seinen zerbrochenen Bogen.

Kurze Zeit darauf war die Mark Österreich freigeworden und viele Fürsten sprachen beim kaiserlichen Hof vor. Es erschien auch Graf Leopold und erinnerte den Kaiser an sein Versprechen. Dieser hielt sein Wort, und so wurde Leopold ob seiner heroischen Tat vor allen anderen Fürsten des Landes ausgezeichnet.


Quelle: Adam Scharrer, Oesterreichische Marg-Graffen. - Wien 1670