Die wilde Jagd

Die Nacht schwebt auf aus dunkler Schlucht
dehnt ihre Schwingen in die Luft
Und hüllt die Erde finster ein
wie einen riesigen Totenschrein.
Und stille ward's im Flur und Forst,
der Vogel schlummert auf dem Horst,
der Mensch auch geht zur süßen Ruh
und schließt die müden Augen zu.
Ein Wand'rer nur noch einsam wallt
durchs Tal hin sonder Aufenthalt.
Jach fährt er aus seinem Sinnen empor
Und lauscht in die Fern' mit gewandtem Ohr.
Was ist denn dort oben am Bühel los?
Dort hebt sich ein wüstes schwellend Getos.
und braust zu Tale durch Wald und Gefild
Trara! Horridoh! so erdröhnt es wild
Klipp, klapp, klipp! erzittern die Bäume am Schlag
Ein gräßliches Wirrsaal lärmt durch den Hag:
Gewieher und Brüllen und Eulengelach
Gejammer und Krächzen und Ästegekrach,
Gemecker und Heulen, Gefauch und Gebell
und piff, paff, piff, puff, paff erknattert es gell,
Und näher und näher schon rast es heran
da schlottern die Knie dem Wandersmann
"Die wilde Jagd," so haucht er entsetzt
und wirft sich ins Gleis auf das Antlitz jetzt,
und über ihn hin, kniehoch übern Grund
jagt schnaubend und tobend in greulichem Bund
ein höllisch Gewühle von Jägern zu Roß
und Rinder und Böcke und schnüffelnder Troß
und Hühner und Hasen und Raben vom Kolk
und Eulen und Geier und fauchendem Volk
Und ferne verbraust es zum Tale hinaus.
Der Wanderer flüchtet verstört nach Haus.
Und wann in seinen späten Tagen
der Enkel saß auf seinem Schoß
und bat: "Erzähle mir wilde Sagen!"
dann sprach er ernst dies eine bloß:
"Mein Kind, nicht frommt dir wilde Weise,
doch naht dir einst das wilde Heer,
so leg dich hurtig ins Geleise,
sonst findet man dich nimmermehr!"

Quelle: Volkssage nach Lehrer Pamberger um 1950 gesammelt, Email-Zusendung