Die Schmiede von Hollenstein

Ein "saliges Fräulein" ritt an einem taufrischen Morgen bei Hollenstein entlang der grünen Ybbs. Auf einmal löste sich ein Hufeisen vom Vorderfuß des Pferdes und flog in den Fluß. Verzagt schaute das salige Fräulein nach Hilfe aus. Zum Glück qualmte in nächster Nähe die Esse einer Hammerschmiede. Die holde Reiterin bat nun den Schmied um Hilfe, und dieser erfüllte mit flinken Hammerschlägen den Wunsch und verlangte nichts für seine Arbeit. Da schritt das Fräulein zur Esse, blies mit segnender Gebärde das Feuer hell an, grüßte mit dankendem Kopfnicken den Schmied und ritt mit lächelnder Miene davon.

Als der Meister sich wieder seiner Arbeit zuwandte und eine große, glühende Eisenstange zurechthämmerte, vernahm er bei jedem Hammerschlag einen eigentümlichen, schönen Klang und sah rotgoldene Funken von der Stange fliegen. Und, o Wunder, aus den sonst verkohlenden Funken bildete sich der reinste Goldstaub, und jeder neue Schlag ergab neues Gold! Dieser Segen währte so lange, wie der Schmied an der großen Stange hämmerte. Abends erholte sich der Meister im Wirtshause bei einem Dämmerschoppen von seiner Plage und erzählte voll Freude allen Zunftgenossen von seinem Glück. Seit dieser Zeit äugen und spähen alle Hammerschmiede an der Ybbs nach dem saligen Fräulein aus, aber keinem war das Glück so hold wie unserem gefälligen Meister. (Nach einem Gedicht der Heimatschriftstellerin Resl Schöllnhammer.)

Quelle: Sagen aus dem Mostviertel, gesammelt von der Lehrerarbeitsgemeinschaft des Bezirkes Amstetten, Hrsg. Ferdinand Adl, Amstetten 1952, S. 48
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Mai 2006.
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