Der Wolf in der Kirche zu Lanzendorf bei Böheimkirchen

Lanzendorf bei Böheimkirchen © Harald Hartmann

Filialkirche hl. Martin in Lanzendorf bei Böheimkirchen
Östlich des Ortes freistehende Kirche, urkundlich 1248 in einem Urbar des Stiftes Seitenstetten als Filiale von Böheimkirchen erwähnt. Romanische Apsis, Chorquadrat-Saal um 1200, vorgestellter West-Turm. Seit seiner Entstehungszeit im Wesentlichen unveränderter, bemerkenswerter romanischer Bau. Das Äußere der Kirche ist ungegliedert wandhaft mit kleinen Fenstern, Langhaus und leicht eingezogenes Chorquadrat mit niedriger Apsis unter Sattel- bzw. Halbkegeldach (Schindeldeckung 1968), am Langhaus südseitig 3 hoch sitzende romanische Schlitzfenster in tiefen Rundbogenlaibungen sowie ein spätgotisches 2bahniges Maßwerkfenster aus dem 1. Drittel des 16. Jahrhunderts. Nordseitig ein barockes Fenster. Neben dem Südportal zwei Mauernischen (in der unteren Opferstock), eingemauerte Steinscheibe mit 7 Löchern (in der Art einer Lichtschale).
Westturm mit starker Neigung durch Absenkung während des Baues und Ausgleichsknick mit Zeltdach und kleinen Schlitzfenstern und spitzbogigen Schallfenstern, im Norden Putzrelief gekreuzte Pilgerstäbe mit Jakobsmuschel. (Quelle: Dehio Niederösterreich).
Die Turmneigung wurde während der Erbauung offensichtlich korrigiert, sodass der Turm in der unteren Hälfte etwa 5° und in der oberen etwa 3° geneigt ist. (Hartmann).
© Harald Hartmann, Juni 2005

Mitten auf dem grünen Anger
steht ein altes Gotteshaus,
schon seit vielen, (vielen) Jahren
geht das Volk dort ein und aus.

Westwärts hat sich längst geneiget,
kämpfend mit der Zeiten Sturm
im vergessnen Gottesacker
eingestellt der Quaderturm.

Wie des nahes Baches Wellen
namenlos am Ufer ziehn,
.... von den Toten allen
die Erinnerung auch dahin.

An der Kirchenpforte haftet
noch seltsam ein Bild aus Stein
wie wenn tief ein Wolf gedrücket
seiner Pratze Spur hinein.

Sagt was dieses Bild bedeutet?
- Eine wunderbare Mär
mir der Küster da erzählte,
bergend eine gute Lehr.

Einst, als Wölfe noch hier hausten,
weidete in stiller Ruh'
eine Ziege auf der Wiese
an die off'ne Kirche zu.

Trocknen sollt im Windeszuge
bald das sanfte heil'ge Haus,
den die Fluten es durchnässen,
tritt der Bach vom Ufer aus.

Nur ein Stäbchen hemmt die Pforte,
daß sie nicht ein die Schnalle fällt (?)
sorgsam hatte solche Hemmung,
dort der Küster aufgestellt.

Und ein Wolf stürzt aus dem Walde,
fällt die arme Ziege an,
die nur in die offne Kirche
vor dem Unhold fliehen kann.

Hin zum Altar stürzt die Arme
und zum Altar folgt der Feind,
und zur Kanzel sie sich flüchtet
schnell auch hier der Wolf erscheint.

Von der Kanzel in die Tiefe
springt die kleine Ziege hinab,
flieht zur offnen Kirchenpforte
und wirft um den Hemmungsstab.

Hinter ihr klappt ein die Pforte
und der Wolf im Gotteshaus
war gefangen, wütend heulte
er bei jeder Ritz' hinaus.

Daß die Nachwelt dess gedenke
darum fügte man den Stein
mit des Wolfes tiefer Fährte
in die Kirchenwand hinein.

Merket auf die gute Lehre:
Manchen and'ren Isegrimm,
der in Wut die Kirche entweiht,
geht es sich er so wie ihm.

Lanzendorf bei Böheimkirchen © Harald Hartmann

Filialkirche hl. Martin in Lanzendorf bei Böheimkirchen
Neben dem Südportal zwei Mauernischen (in der unteren Opferstock), eingemauerte Steinscheibe mit 7 Löchern (in der Art einer Lichtschale). (Quelle: Dehio Niederösterreich).
© Harald Hartmann, Juni 2005

Lanzendorf bei Böheimkirchen © Harald Hartmann

Filialkirche hl. Martin in Lanzendorf bei Böheimkirchen
Spätmittelalterlicher Opferstock in Nische. (laut Dehio).
Neben dem Eingangstor findet sich ein "Pestloch". Durch dieses wurde Pestkranken mit einem speziellen Löffel die Kommunion gereicht. (Hartmann).
© Harald Hartmann, Juni 2005

Inneres der Filialkirche hl. Martin Lanzendorf bei Böheimkirchen © Harald Hartmann

Filialkirche hl. Martin in Lanzendorf bei Böheimkirchen
Langhaus, Saalraum mit Balkendecke von 1968, Balkonempore aus dem 17. Jahrhundert (?). Rundapsis mit gemauertem Altartisch. Hochaltar, Altarbild hl. Martin, bezeichnet J(ohannes) Brad 1982. Zwei Seitenaltäre an der Triumphbogenwand, gemauerte Altartische, Leinwandbilder aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, links hl. Antonius von Padua, rechts Hl. Familie; barocke Statuen Hll. Petrus und Paulus aus der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts. (Quelle: Dehio Niederösterreich).
© Harald Hartmann, Juni 2005

Quelle: Volkssage von Paul Renk