Das Bildnis beim Schulreuter in Winklarn

Die "Schulreut", ein stattliches Bauerngehöft auf der Anhöhe südlich von Winklarn, hat ihren Namen wahrscheinlich davon, daß in früheren Jahren eine Baumschule neben dem Bauernhause gepflanzt war. Der jetzige Besitzer Karl Herbst führte mich in den "Troadkasten", um mir ein Bild zu zeigen, mit dem es folgende Bewandtnis hat:

Auf Holz gemalt und schon ziemlich verblichen, stellt es die Heilige Dreifaltigkeit mit der schmerzhaften Muttergottes von Maria Taferl dar. Rechts von der Muttergottes ist St. Leonhard und links St. Sebastian zu sehen. Im linken Auge des Marienbildes ist eine kleine Vertiefung von bräunlichem Aussehen. Der Besitzer erzählte mir: Dieses Bild befand sich einmal in der Blorker, einer Ried seines Grundbesitzes. Heute steht ein Kreuzstöckel dort. Ein Bürger von Ulmerfeld lebte vor langer Zeit in recht ärmlichen Verhältnissen. Er, seine Frau und die große Kinderschar hatten nicht viel zu beißen und zu nagen. Was Wunder, wenn er sich in einer üblen Stunde von einem Mitglied des RaubgesindeIs in der Heide zu anfänglich kleinen Streichen verleiten ließ? Mitgefangen, mitgehangen! Bald gehörte er der Bande an und beteiligte sich auch an den großen gemeinsamen Raubzügen. Eines Nachts wurde ein reisender Kaufmann von der Bande in der Heide angefallen. Im Handgemenge erschlug das neue Bandenmitglied den Reisenden. Diese ruchlose Tat brachte aber die Wandlung des Räubers. Er lief ohne Beute davon, gepeinigt von den Qualen der Reue irrte er im Walde umher. Seine Seelenangst trieb ihn zum Bildstock der Muttergottes in der Blorker, um dort Ruhe zu finden. Dabei rutschte er auf den Knien durch den "Wilden Graben" zum Bildstock hin, verrichtete dort ein inbrünstiges Gebet um Erlösung von seiner schrecklichen Sünde und küßte das Bild der Gottesmutter auf den Mund. Durch das oftrnalige Küssen wetzte er mit seiner großen Nase die Vertiefung am linken Auge der Gottesmutter aus und bräunte diese Einbuchtung, weil er ein leidenschaftlicher Schnupfer war, dabei mit Schnupftabak. (Resch.)

Quelle: Sagen aus dem Mostviertel, gesammelt von der Lehrerarbeitsgemeinschaft des Bezirkes Amstetten, Hrsg. Ferdinand Adl, Amstetten 1952, S. 30
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Mai 2006.
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