Das bäuerliche Brauchtum in Stall

Die nun folgenden Zeilen sollen dem alten Brauchtum um den bäuerlichen Menschen, in dessen Leben die Sitten und Gebräuche eine große Rolle gespielt haben, gewidmet sein. Auch im Jahresablauf auf dem Bauernhof war das Brauchtum nicht wegzudenken, und das Geschehen aus dem Kirchenjahr ist oft eng damit verknüpft. Es ist bedauerlich, daß so mancher alte Bauernbrauch nur noch vom Hörensagen bekannt ist, ja oft nicht einmal das mehr. Ich möchte daher versuchen, einige dieser Sitten und Gebräuche, die ich zum Teil selbst erlebt und mitgemacht habe, und manches, was ich nur aus Erzählungen erlauschte, festzuhalten.

DIE GEBURT

Der bäuerliche Mensch wurde sozusagen in das Brauchtum hineingeboren, denn schon der Eintritt des jungen bäuerlichen Erdenbürgers in das Leben beginnt mit einem Brauch, dem Taufschmaus. Die werdende Mutter hat sich rechtzeitig unter ihren Freundinnen oder befreundeten Nachbarn eine Gevatterin (Taufpatin) ausgesucht. Wenn dann das freudige Ereignis eingetreten war, bedurfte es nur einer kurzen Nachricht, und die Patin holte das Kind zur Taufe und arrangierte anschließend den Taufschmaus. Der Wöchnerin schickten oder überbrachten die Patenleute die sogenannte "Weisat" nach altem Brauch, bestehend aus einem Reindling, Schmalzbutter, zwei Dutzend Eiern, wenn es ein Knabe war; bei einem Mädchen einem Dutzend Eier, zwölf Windeln und Leinwand für Säuglingswäsche, einer Flasche Wein und einem Geldgeschenk, dem sogenannten "Taufgroschen".

DIE BRAUTWERBUNG

Wenn der junge bäuerliche Mensch erwachsen und die Zeit gekommen war, sich zu verehelichen, dann kam er wieder in den Bereich des bäuerlichen Brauchtums. Der Hoferbe ging mit einem Freund oder einem Nachbarn auf Brautwerbung (ortsüblich gesagt: er ging in die Werberei). Meistens hatte er schon einen Verspruch, dann wußte er ja schon, wohin er mit seinem Begleiter gehen Mußte, und das "Ja" war gesichert. Mußte er aber bei unbekannter Tür anklopfen, dann mußte er auch auf ein „Nein" gefaßt sein. In einem Ort, wo jeder jeden kennt, wurde ja alles sofort bekannt, und schon sagten die bösen Zungen: "Er hat sie nicht abderchebt." Dann kam es vor, daß eines Morgens auf dem Haus- oder Stadelgiebel ein großer Tragkorb hing, von boshafter Hand in der Nacht dort aufgehängt zum Zeichen, daß er bei der Werbung einen Korb gekriegt hatte. Das ist ein alter Brauch und erzeugt keine Feindschaft und macht niemandem einen Schaden. Für den Betreffenden war es ein Spott, der schon wieder vergessen war, wenn er in einem anderen Haus bei der Werbung Erfolg gehabt hat.

DAS ZUM-PFARRER-GEHEN UND HOCHZEITLADEN

Ist es dann soweit, wird zur Hochzeit gerüstet. Der alte Brauch, der fast durchwegs eingehalten wurde, hatte für Bauernhochzeiten drei Termine vorgesehen. Im Fasching, von Ostern bis Pfingsten und im Herbst zu Kathrein. Bei der Werbung wurde vereinbart, an welchem Tag die jungen Leute zum Pfarrer gingen (Aufgebot bestellen) sowie jener der Hochzeit und außerdem wurden dabei die weiteren damit in Verbindung stehenden Punkte festgesetzt. Diese Unterredung nannte man den Handschlag. Nach dem Zum-Pfarrer-Gehen wurden an die Beistände und den Lader (Hochzeitslader) Blumen und Tücheln verteilt, und die Braut wand sich um ihren Hut eine Schnur von rosaroter Farbe.

Von diesem Augenblick an bis zur Kopulation (Trauung) durfte sie nicht mehr allein gelassen werden, sondern wurde auf allen ihren Wegen (weil den Bräuten der Volksmeinung nach allerlei übel zu begegnen pflegte) von einem Mann begleitet.

Die Einladung zur Hochzeit geschah in der Woche vor der Hochzeit, und diese erfolgte durch den Bräutigam und die Braut und den Hochzeitslader persönlich (ortsüblich sagte man das "Brautvolk"). Als Hochzeitslader fungierte meistens der Taufgöt der Braut, welcher einen mit Blumen gezierten Stock in der Hand trug. Es wurde auch ein geschmückter Degen verwendet, welchen der Hochzeitslader wie einen Stock in der Hand trug. Schriftliche Einladungen waren nicht ortsüblich. Die Einladung wurde vom Hochzeitslader in einer förmlichen Anrede, oft sogar in Versen, mit aller Ernsthaftigkeit vorgetragen. Die Einladenden wurden überall, wo sie ihr Geschäft hinführte, reichlich bewirtet.

DER POLTERABEND, ORTSÜBLICH "KRANZLBIND" GENANNT

Am Tag vor der Hochzeit wurde der Polterabend (Kranzlbind) gehalten. An diesem Tag ging der Bräutigam mit einer Schar eigens zu diesem Zweck geladener Burschen, den Valaßführern, zum Haus der Braut, um den Brautkasten oder, wie sie ganz früher noch genannt wurde, die "Truhe" zu holen und auf den Hof des Bräutigams zu bringen. Der Valaß war nichts anderes als meistens ein neuer und buntbemalter, mit Wäsche und Kleidungsstücken so gut wie möglich ausgestatteter Brautkasten oder die Truhe. Derselbe wurde von den Valaßführern unter Jauchzen, Singen und mit Musikbegleituung aus dem Haus getragen und auf den vor dem Haus bereitstehenden Ziehschlitten oder Wagen gebunden. Die Mutter oder die Hausfrau der Braut übergaben dieser ein neues Spinnrad, welches mit einem Rocken Flachs versehen war. Dieses Spinnrad wurde am Kasten mit einem roten Band befestigt und mit dem Valaß mitgeführt.

DIE KLAUSEN

Beim Valaßführen war es nun Brauch, den Weg zu sperren und eine Klause zu errichten. Da ging es oft sehr lustig zu, wenn der Verteidiger der Klause, der ja der Klausenhauptmann war, und sein Partner auf der Gegenseite, die beide die sogenannten "Klausenreime" kannten, folgenden Brauch übten:

Der Verteidiger der Klause, also der Hauptmann, hatte zwei Gehilfen; er selbst stellte sich schlafend, wenn der Valaß an die Klause herankam, seine Gehilfen weckten ihn mit dem Reim:

"Hauptmann, auf und nicht verdrossen, der Feind, der hat schon zweimal g'schossen. Jetzt schießt es schon zum drittenmal, es geht der Hall durch Berg und Tal."

Der Hauptmann stand auf, räkelte sich und fragte die Begleiter des Brautkastens:

"Was tut ös da bei dieser Klausen, ohne Speck und ohne Jausen?"

So wurde oft die längste Zeit hin und her gereimt und viel gelacht, und die Zuschauer, die oft von weit her gekommen waren, kamen auf ihre Rechnung. Das Ende dieses Treibens machte der Sprecher der Valaßführer mit folgendem Reim:

"Wir haben niemand was getan, darum wollen wir freie Bahn; wir sind bereit zu einer Maut und bitten um Durchlaß für die Braut."

Auf das hin wurde die Klause geöffnet, und der Valaß konnte weiterziehen. Der Bräutigam lud die Verteidiger der Klause zu einer ausgiebigen Zeche in ein Gasthaus.

DIE HOCHZEIT

Am Hochzeitstag selbst kamen die geladenen Gäste auf dem Hofe des Bräutigams und der Braut zu einem Frühstück zusammen, sie wurden mit Musik empfangen. Nach dem Frühstück, bevor die Braut das Elternhaus verließ, trat der Lader im Beisein aller Hochzeitsgäste zu den Eltern der Braut und hielt eine Rede, die darin bestand, daß er ihnen für alle ihnen von der Braut von Kindheit an zugefügten Beleidigungen Abbitte leistete, um deren Erlangung sich die Braut ihren Eltern dann zu Füßen warf und ihnen die Hände küßte. Die Eltern erhoben betend ihre Hände und segneten die von ihnen scheidende Braut. Die Mutter küßte nochmals ihre Tochter, und diese verließ mit dem Hochzeitszug das elterliche Haus.

Nach der kirchlichen Verbindung hatte der Brautführer die Verpflichtung, allen in der Kirche anwesenden Hochzeitsgästen, und wenn deren noch so viele waren, vom gesegneten Wein in der Absicht zu kredenzen, daß von jedem derselben auf das Wohlergehen der Neuvermählten getrunken wurde. Von der Kirche bis zum Hochzeitsmahl, das in einem Gasthaus abgehalten wurde, begleitete die Musik den Zug. Zum Hochzeitsmahl zählte ein Gang, bestehend aus Kraut und Selchfleisch. Wenn dieser Gang aufgetragen wurde, krachte draußen ein Böllerschuß (der sogenannte Kranzelschuß). Nun verlangte es der Brauch, daß sich die Braut den Kranz abnehmen ließ. Die Taufgotl der Braut, bei diesem Anlaß "Brautmutter" genannt, löste den Brautkranz behutsam aus den Haaren der Braut und legte denselben um den Hut des Bräutigams, zum Zeichen, daß er nun der Herr seiner Zukünftigen war. Bei dieser Zeremonie hat manche Braut geweint. Nun war der offizielle Teil der Hochzeit vorüber, und der inoffizielle Teil bildete seine Fortsetzung mit Tanz und Fröhlichkeit bis zum sogenannten "Ehrentanz" um Mitternacht, bei welchem wieder die Reimer in Erscheinung traten und das Brautpaar so manches in Form von abgesungenen Reimen über sich ergehen lassen mußte. Anschließend verabschiedete sich das Brautpaar von den Hochzeitsgästen, wurde von der Musik bis vor das Gasthaus begleitet und begab sich auf den Heimweg. Vor der Haustür des Bräutigams wurde der Braut als einer fremden Person der Eintritt versagt, und erst nach der von ihrem Begleiter abgegebenen Erklärung, wer sie sei, wurde ihr durch Überreichung eines Schlüssels oder einer Türschnalle das Recht, hier als nunmehrige Hausfrau zu schalten und zu walten, eingeräumt. Das in anderen Orten Kärntens sehr gebräuchliche sogenannte Brautstehlen kam hier nur selten vor. Auch wurde dem Hochzeitszug keine Klause gemacht.

DAS BEGRÄBNIS (DIE "LEICH" ODER "B'STATTING")

Über den Tod herrschte mancher Aberglaube im Volk. So z. B. wurde der Tod angekündigt, wenn der Totenvogel oder die Kloag (Käuzchen) in der Nacht "Komm mit" gerufen hatte. Auch das Klopfen des Holzwurmes in der hölzernen Hauswand, "die Totenuhr", bedeutete, daß einem der Hausinsaser "die letzte Stunde" geschlagen hatte. Der Sterbende meldete seinen Abgang in das Reich der Toten durch die "Vorbedeutnas" an, und noch vieles mehr wurde geglaubt. Hatte man dem Toten die Augen zugedrückt, verkündete da: Zügenglöckl (Totenglocke) das Ableben. Drei Tage mußte die "Leich" (der Tote) auf Erden liegen, bevor sie begraben werden durfte. Das Anziehen; Aufbahren und In-den-Sarg-Legen sowie das Grabmachen besorgten meistens Nachbarn. Beim Aufbahren mußte darauf geachtet werden, daß das Leichentuch an einem Eck zurückgeschlagen wurde, sonst starb wieder bald jemand aus dem Haus. Auf das Brett (Totenbrett) wurden jene Leichen gelegt, für die der Tischler erst den Sarg machen mußte. An zwei Abenden kamen die Nachbarn und Bekannten, um Abschied zu nehmen, zum sogenannten „Beten". In einer halben Nacht mußten drei Rosenkränze, der Freudenreiche, der Schmerzhafte und der Glorreiche, mit der Litanei abgebetet werden. Anschließend wurden die Beter mit Kaffee, Krapfen oder Reindling und Schnaps bewirtet. In der Nacht vor dem Begräbnis wurde der Verstorbene im Beisein der ganzen Sippe von den Totengräbern in den Sarg gelegt, und die Hausfrau legte dem Verstorbenen noch irgendeinen neuen Stoff unter den Kopf, damit er gut ruhe, darauf wurde der Sarg geschlossen. Diese Handlung hieß ortsüblich „in die Trugn legen". „Verabschieden" nannte man das, wenn mit dem Sarg, der Fußteil voraus, beim Hauseingang (Labntür) dreimal ein Kreuz gemacht wurde. Bei den Bergbewohnern wurde dann der Sarg auf einen Ziehschlitten gebunden und von Männern zu Tal befördert, voraus der Kreuzträger, dann der Ziehschlitten mit dem Sarg und anschließend die am Begräbnis teilnehmenden Personen. Der älteste Weg ist der Totenweg, und dieser wurde bei der „B'statting", wie das Begräbnis ortsüblich heißt, benützt. Wenn man dann mit dem Toten einen fahrbaren Weg erreicht hatte, wurde der Sarg von einem Pferdefuhrwerk übernommen. Vom Kondukt bis zum Grab wurde der Tote, je nachdem ob Mann oder Frau, von Männern oder Frauen getragen.

Krapfenplatte, Zeichnung © Maria Rehm

Krapfenplatte, Zeichnung
©Künstlerin Maria Rehm
©Viktoria Egg-Rehm, Anita Mair-Rehm,
für SAGEN.at freundlicherweise exklusiv zur Verfügung gestellt

DAS HAARLANGREITEN

Am Neujahrstag war es Brauch, daß die jungen Leute eine lange Schlittenfahrt unternahmen, die oft in die Almregionen ausgedehnt wurde. Je weiter diese Fahrt ging, um so länger sollte "der Haar" (ortsübliche Bezeichnung für Flachs) im kommenden Jahr gedeihen. Denn lang und fein gewachsener Flachs war die Grundlage zur Herstellung schönen Bauernleinens. Für die Jugend war es jedenfalls immer ein Vergnügen, dieses Haarlangreiten.

DAS PERCHTENJAGEN

Das Perchtenjagen war ein alter Brauch, der noch aus heidnischer Zeit stammt, und wurde am Dreikönigstag begangen. An diesem Tag versammelten sich junge Burschen, verkleidet als Perchten, das heißt, sie zogen schlechte, zerrissene, zottige Frauenkleider an und entstellten sich zu recht häßlichen Figuren. Das Gesicht wurde mit einer Larve (Gesichtsmaske) mit grausamen Gesichtszügen bedeckt. Diese als Perchten verkleideten Burschen liefen von Haus zu Haus, schrien, knurrten, polterten, nahmen Rinderglocken, Ketten, führten Tänze auf und beabsichtigten damit, den Hausgenossen Furcht und Schrecken einzujagen, bis ihr Treiben Gehör fand und sie von der Bäuerin oder dem Bauer mit einem Geschenk, bestehend aus Brot, Käse, Speck, Butter, Fleisch, Branntwein usw., abgefertigt wurden. Diesem Brauch wurde vieles zugeschrieben, und so wurde unter anderem geglaubt, daß je mehr Perchtl auf den Hof gekommen waren, eine desto bessere nächste Ernte zu erwarten sei.

Zu den hohen Festtagen, wie Weihnachten, Neujahr und Dreikönig, wurden vom Bauer und der Bäuerin in einer Pfanne mit Glut geweihte Kräuter in Haus und Hof verräuchert und geweihtes Wasser versprengt, um den Segen Gottes herabzuflehen. Zu Dreikönig wurden außerdem mit geweihter Kreide vom Bauer über der Eingangstür die Anfangsbuchstaben der drei Heiligen aus dem Morgenland, also K+M+B, geschrieben, um dem Bösen den Eintritt zu verwehren.

DER SPITZKRAPFEN

Ein weiterer bäuerlicher Brauch rankt sich um den sogenannten "Spitzkrapfen". Zur Zeit, als der Bauer noch genügend Arbeitskräfte zur Verfügung hatte, verwendete er um Jakobi (25. Juli) herum vierzehn Tage bis drei Wochen zur Gewinnung von Almheu, das dann im Winter in gegenseitiger Nachbarschaftshilfe zum Heimgut gebracht wurde. Den Heuziehern, kurz Hatzer genannt, die oft ihre Arbeit unter schwierigsten winterlichen und örtlichen Geländeverhältnissen-verrichten mußten, wurde natürlich groß aufgetischt. Unter anderem gab es auch gebackene Krapfen; auf der Schüssel, obenauf gelegt, befand sich ein besonders verzierter und mit einem Rosmarinstrauß geschmückter sogenannter "Spitzkrapfen". Dieser war für denjenigen Hatzer bestimmt, der das erste Heufuder heimgebracht hatte, eben für den Spitzhatzer. Wenn der nicht auf Draht war, hat ihm ein anderer den Krapfen weggeschnappt und er hatte das Nachsehen.

FASCHINGSBRÄUCHE

Zum Fasching war es Brauch, daß am Faschingssonntag oder Faschingsdienstag nach dem Spätgottesdienst auf dem Kirchplatz die Faschingspredigt gehalten wurde. In dieser Predigt wurden alle Ereignisse des abgelaufenen Jahres zusammengefaßt und der Öffentlichkeit in scherzhafter oder spöttischer Form vorgetragen. Es war daher jeder Einwohner bestrebt, sich so zu verhalten, daß er den Faschingspredigern ja keinen Anlaß für ihre Predigt gab.

Am Faschingsdienstag wurde auch der Fasching eingegraben; als Fasching mußte symbolisch ein Betrunkener herhalten, der meistens von einer Hochzeit vom Faschingsmontag (Fraßmontag) übriggeblieben war. Dieser Betrunkene wurde mittels Ziehschlitten, Mistkrippe. oder ähnlichem unter Musikbegleitung und Beteiligung der Bevölkerung zu irgendeiner Grube geführt, versenkt, eingesegnet und als Fasching begraben.

DAS PALMTRAGEN

Am Samstag vor dem Palmsonntag wurde auf jedem Bauernhof ein Palm gebunden, und zwar aus Zweigen der Palmweide und der Wacholderstaude. Zusammengebunden wurde dieser Palmbuschen auf einen langen Stab, den sogenannten Palmstab. Zum Binden durfte kein Eisendraht oder dergleichen verwendet werden, also mußte alles, was zum Palm gehörte, aus Holz sein.

Das Palmtragen selbst stand dem jungen Hoferben zu, der schon als Kind, natürlich in Begleitung, diese Arbeit verrichten mußte. Nach altem Brauch mußte der Palmträger mit dem geweihten Palm dreimal um das Wohnhaus herumgehen, in der Annahme, daß damit die schädlichen Einflüsse von außen das ganze Jahr gebannt seien.

Am Karfreitag stand man nach altem Brauch schon vor Tagesanbruch auf, und die ganze Bauernfamilie versammelte sich um den Küchentisch, auf den der Palm gelegt wurde, zum gemeinsamen Gebet. Während des Gebetes wurden aus Palm- und Wacholderzweigen kleine Kreuzlein gemacht, die dann anschließend hinter Tür und Fenster gesteckt wurden. Der Herrgottswinkel wurde ebenfalls mit Palmzeigen geschmückt. Die Familienmitglieder schluckten jedes ein geweihtes Palmkätzchen, da diese böse Krankheiten abwenden sollten. Dem Vieh wurde geweihter Wacholder fein gehackt und unter das Leck (Leckerbissen, Kraftfutter) gemischt, damit es vor Unglück verschont bleibe. Der Palmbuschen wurde vom jungen Hoferben noch vor Tagesanbruch in die Mitte des Roggenackers gesteckt, um im Sommer böse Gewitter abzuwehren. Wer am Palmsonntag in der Früh als letzter aufstand, wurde mit dem Spitznamen "Palmesel" bezeichnet. Die Bräuche, die sich um den Palmbuschen rankten, wurden nach alter Überlieferung von Generation zu Generation weitergegeben.

DIE OSTERBRÄUCHE

Am Karsamstag vor der Auferstehungsfeier wurden und werden auch noch heute von jeder Familie bestimmte Lebensmittel wie Geselchtes (Geräuchertes), Brot, Eier, Kren und Salz geweiht. Dieses Geweihte wird am Ostermorgen von allen Hausinsassen als Frühstück gegessen.

Ein weiterer Brauch war das Eiersammeln zu Ostern. Die jungen Burschen gingen von Haus zu Haus und wurden von den Mädchen oder der Bäuerin mit gefärbten oder gescheckten Eiern beschenkt. Die Burschen untereinander huldigten zu Ostern dem Brauch des Eierpeckens und Eierturtschens. Beim Eierpecken wurde mit einer Münze aus gewisser Entfernung gegen ein gefärbtes Ei geworfen. Wenn die Münze das Ei getroffen hatte und darin steckengeblieben war, gehörte das Ei dem Münzenbesitzer; hatte er danebengeworfen, gehörte die Münze dem Eibesitzer. Zu diesem Eierpecken gehörte große Geschicklichkeit. Das Eierturtschen hingegen war mehr eine Sache der stärkeren Eierschale. Es wurden zwei Eier gegeneinandergestoßen, und das zerbrochene Ei ging auf den Besitzer des stärkeren Eies über.

DAS PFINGSTHAUFEN-ABBRENNEN

Wie andernorts zu Ostern die sogenannten Osterfeuer abgebrannt werden, so war es bei uns Brauch, am Pfingstsonntag vor Tagesanbruch den sogenannten „Pfingsthaufen" abzubrennen. Dieser Pfingsthaufen bestand hauptsächlich aus grünem Fichtenreisig und mußte sich durch starke Rauchentwicklung bemerkbar machen. So breitete sich dieser Rauch am Pfingstmorgen wie Nebel über das ganze Tal aus. Wer am Pfingstsonntagmorgen zu spät aus dem Bett stieg, wurde mit dem Spitznamen "Pfingstendreck" beehrt.

DAS MAIBAUM-AUFSTELLEN

Der Maibaum wurde meistens jemandem zu Ehren aufgestellt, und es gingen die Vorarbeiten hiezu heimlich vor sich. Erst wenn der Maibaum aufgestellt war, wurde er durch einen Böllerschuß angekündigt. Dies mußte spätestens vor Tagesanbruch des 1. Mai geschehen. Der Maibaum mußte durch drei Tage und drei Nächte durch die Mannschaft, die ihn errichtet hatte, bewacht werden, damit nicht Widersacher ihn zu Fall brachten. Wurde aber trotz aller Bemühungen der Wächter der Maibaum gefällt, mußte ein neuer aufgestellt werden. In Ausübung dieses Brauches wurden oft die kuriosesten Mittel und Methoden zur Anwendung gebracht.

DIE WALLFAHRT NACH KÖTSCHACH

Ein weiterer Brauch ist die Wallfahrt nach Kötschach, die zu Christi Himmelfahrt auf Grund eines alten Gelöbnisses durchgeführt wird.

In fern vergangener Zeit wurde Jahre hindurch auf Grund schlechter und kalter Witterung das Getreide bei uns nur bis an die Mitterberge (etwa Höhe Ranner, Friedl, Egger) reif. Da diese jahrelangen Getreideausfälle eine Hungersnot auslösten, legte die Bevölkerung von Stall das Gelöbnis ab, jedes Jahr zu Christi Himmelfahrt eine dreitägige Wallfahrt nach Kötschach im Gailtal zu machen, wenn das Getreide wieder ausreifte. Dieses Gelöbnis hat man bis heute immer gehalten, und das Getreide ist seither auch immer reif geworden.

Hier an dieser Stelle möchte ich noch ein Naturereignis vermerken, das im vorigen Jahrhundert durch große Trockenheit ausgelöst wurde. Damals hatte der Möllfluß nur bis in die Föslreide Wasser geführt, und von dort an war das Flußbett vollkommen ausgetrocknet.

DAS SONNWENDFEUER

Das Sonnwendfeuer-Abbrennen ist ein uralter Brauch, der noch aus keltischgermanischer Zeit stammt, und wurde, wie schon der Name sagt, zur Sommersonnenwende durchgeführt. Zu dieser Zeit erleuchteten diese Sonnwendfeuer nicht nur die Talhänge, sondern wurden oft unter schwierigen Bedingungen auf hohen Berggipfeln errichtet. Ein weiterer Brauch zur Sonnenwende ist das Scheibenschlagen. Die Scheiben werden von einem geeigneten Fichtenstämmling heruntergeschnitten, in der Mitte mit einem Loch versehen und auf eine Haselrute gesteckt. Diese Scheibe wird im Sonnwendfeuer angebrannt und über ein Brett abgeschlagen, was eine bestimmte Routine voraussetzt. Während diese angebrannte Scheibe wie eine Sternschnuppe weit den Hang hinunterfliegt, wird von dem, der sie abgeschlagen hat, ein Reim (Vers) abgesprochen, der alles mögliche zum Inhalt haben kann. Auf jeden Fall wird mit diesem Reim jemand bedacht, der anwesend ist und sich auch mit einem Gegenreim revanchieren kann. Diese Scheiben sind ein Überrest aus heidnischer Zeit, in der man zur Sommersonnenwende große brennende Scheiben die Berghänge hinunterrollen ließ.

Bei unseren Vorfahren war es verpönt, Tanz und Lustbarkeiten zu veranstalten, solange das Getreide auf den Feldern stand. Daraus ist zu entnehmen, daß ihnen die Feldfrüchte etwas Hohes und Heiliges gewesen sind. Wenn im Sommer ein schweres Gewitter aufzog, zündete die Bäuerin die Wetterkerze an und räucherte unter Gebet geweihte Kräuter, um das Unwetter von den Feldfrüchten abzuwenden. Die Kirchenglocken wurden ebenfalls in der Absicht geläutet (Wetterläuten), das Unwetter von der Pfarrgemeinde abzuwenden. Früher hatte jede Ortschaft einen, ja manche sogar mehrere Wetterböller, die bei Herannahen eines Unwetters abgeschossen wurden (das Wetterschießen). Diese Methode wird heute sogar in manchen exponierten Gebieten mit neuen technischen Mitteln durchgeführt und hat auch nur den einen Zweck wie das Böllerschießen bei unseren Vorfahren, nämlich, die Gewitterwolken zu zerreißen.

Erst wenn das Getreide und das Rauhfutter für den Winter unter Dach waren und das Vieh von der Alm heimgetrieben war, wurde Erntedank gefeiert. Der Brauch, den Almabtrieb festlich zu begehen und das Almvieh aufzukränzen sowie die Sennerin durch einen Böllerschuß "heimzuschießen", war eine Auszeichnung für die Sennerin. Dieses Sennerin-Heimschießen sollte auch die Zufriedenheit des Bauern mit der Sennerin für die auf der Alm geleistete Arbeit zum Ausdruck bringen. Dieser Brauch wird noch vereinzelt durchgeführt.

Feste und Feiern wurden selten veranstaltet; es gab nur ganz wenige bestimmte Musiktage im Jahr, und diese wurden wegen ihrer Seltenheit auch gebührend gefeiert.

Festtage mit feierlichen Prozessionen, die auch heute noch in der gleichen Form begangen werden wie zu alten Zeiten, sind das Fronleichnamsfest, der Hohe Frauentag (15. August), der von alters her den Frauen und Mädchen zustand, und das Schutzengelfest (erster Sonntag im September), das von den Burschen und Männern bestritten wurde.

DER HEILIGE NIKOLAUS (NIKOLO)

Zum Fest des heiligen Nikolaus war es Brauch, daß der Nikolo von Haus zu Haus ging. In seiner Begleitung waren ein Engel und für die Schlimmen der Luzifer oder Kerbltrager. Dies war ein frommer Brauch zur Erinnerung an den heiligen Kirchenfürsten, der in der fernen Stadt Myra in der Türkei gelebt hatte und sein ganzes Leben hindurch alles verschenkte. In Ausübung dieses schönen und frommen Brauches beschenkt auch der Nikolo die Braven mit Äpfeln, Nüssen und Kletzen und bestraft die Bösen mit Rutenschlägen durch den Krampus.

DAS LESCHTEN

Am Unschuldige-Kinder-Tag war das Leschten gebräuchlich und wurde vorwiegend von Kindern durchgeführt, die am Unschuldige-Kinder-Tag morgens schon bei der Mutter damit anfingen. Es geschah mit einem Fichtenast, mit dem auf den Rücken geklopft wurde; dabei wurde folgender Vers gesagt:
"I lescht, i lescht an Speck, daweil geh i nit weg".

In Ausübung dieses Brauches wurden von den Kindern auch Nachbarn und Bekannte in der gleichen Absicht aufgesucht.

DER WANDERTAG

Einen weiteren bäuerlichen Brauch gab es beim Dienstbotenwechsel, der am 30. Dezember jeden Jahres vollzogen wurde. Dieser Tag wurde als "Wandertag" bezeichnet. Die weiblichen Dienstboten wurden von der Bäuerin angeworben, die Sennerin und die Knechte vom Bauer. Die Anwerbung der Dienstboten erfolgte schon ein halbes Jahr vorher, und diese erhielten von ihrem neuen Dienstgeber den Leihkauf (Handgeld). Der bisherige Dienstgeber hatte genügend Zeit, sich um neue Dienstleute umzusehen. Waren Umstände eingetreten, die den Dienstnehmer daran hinderten, seinen neuen Dienstplatz anzutreten, mußte er drei Monate vorher seinen Leikauf, also das Handgeld, zurückgeben. Unterm Jahr wurde kein Dienstbotenwechsel vorgenommen.

DIE ALMOSENTEILUNG

Einmal im Jahr hat jeder Bauer für seine verstorbenen Vorfahren eine heilige Messe gezahlt. War es ein gutes Jahr, so war mit diesem Gottesdienst die "Almosenteilung" verbunden. Die entsprechende Bekanntmachung über diese Almosenteilung besorgte der Pfarrer zeitgerecht vorher. Für diese Almosenteilung wurde auf dem Bauernhof, der die Messe bezahlt hatte, eine ganze Bäck Krapfeln (kleine Brotlaibchen) gebacken und nach dem Gottesdienst vom Bauer oder von der Bäuerin an die armen Leute in der Gemeinde als Dank für reichen Erntesegen verteilt.

Da solche Messen mit Almosenteilung das ganze Jahr gelesen wurden, wurde mit diesem Brauch den fürsorgebedürftigen Personen in der Gemeinde geholfen, ihr tägliches Brot etwas aufzubessern. Und weil in der Gemeinde jeder jeden kannte, kam diese Spende wirklich an die Hilfsbedürftigen, so daß auf diese Art mitgeholfen wurde, das Armenproblem der Gemeinde zu meistern. Fiel früher jemand dem Armenrecht anheim, so mußte er als "Anleger" von Bauer zu Bauer wandern. Der Bauer mußte diesem Gemeindearmen auf Grund einer genauen Vorschreibung je nach Größe des Besitzes eine gewisse Zeit auf dem Hof freie Kost und Wohnung geben.


Quelle: Gottlieb Schweiger, Der Burgfried Stall - Die Geschichte der Gemeinden Rangersdorf und Stall, Stall 1978, Seite 156 - 166