DIE EISERNE HENNE

In altersgrauer Zeit gab es im Oswaldberg reiche Goldgruben. Ihre Besitzer zahlten den Arbeitern hohen Sold, und da der Reichtum des tiefen Schachtes unerschöpflich schien, führten die Bergleute ein üppiges und schwelgerisches Leben. Anstatt den Dürftigen von ihrem Überfluß zu geben, benützten sie deren Hilflosigkeit, um ihren Übermut daran zu üben.

Am Fuße des Berges lebte zu dieser Zeit eine arme Witwe kümmerlich von ihrer Hände Arbeit. Ihr einziger Reichtum war eine Kuh. - Da geschah es, daß die Knappen sich dieses arme Weib zum Gegenstand ihres Übermutes wählten. Mit einer Botschaft wurde sie zur Stadt gesandt und inzwischen ihre Kuh aus dem Stalle geholt, getötet, die Haut mit Stroh gefüllt und an die alte Stelle gebracht.

Müde kehrte das Weiblein gegen Abend heim und eilte zum Stalle, um ihre Kuh zu tränken und zu melken. Entsetzt sah sie das Geschehene und eilte hinaus, die Nachbarn in der Runde zu fragen, wer den Frevel begangen. Und überall erhielt sie dieselbe Kunde, daß der Bergleute Übermut den frevelhaften Plan ersann. Nun kehrte sie in ihre Hütte zurück, doch ihr sonst so friedliches Gemüt war von Rache erfüllt.

Am nächsten Morgen wanderte sie zu ihrem Vetter, dem Schmied, und hieß ihn eine Henne und Eier aus Eisen schmieden. Diese brachte sie in den tiefen Stollen und sprach: "So wenig diese Henne je wird Eier brüten, so wenig sei das Glück euch wieder hold." Die Kunde von der Verwünschung der Alten verbreitete sich rasch; schreckensbleich und ohne das gewohnte "Glück auf!" zogen die Knappen am anderen Morgen zum Schachte. Aber nur taubes Gestein traf der Schlegel, versiegt war die goldene Quelle, und so sehr die Gewerken den Berg durchwühlen ließen, kein Stäubchen Gold wurde mehr gefunden.

Und noch heutigen Tages ruht der Fluch der beraubten Witwe auf dem Stollen des Oswaldberges.

Franz Pehr, Kärntner Sagen. Klagenfurt 1913, 5. Auflage, Klagenfurt 1960, Nr. 45, S. 94