DIE STEINERNEN FRANZOSEN

Nicht weit von Malborghet erhebt sich ein Hügel, der unten herum mit Gras und Bäumen bewachsen ist. Weiter oben aber hört jeder Pflanzenwuchs auf, und mehrere Felsblöcke ragen empor, von denen einige an menschliche Gestalten erinnern.

Auf diesem Hügel stand früher ein Bauernhaus, dessen fromme Bewohner oft eine nahe Kapelle besuchten. Die fleißigen Leute lebten sorglos und in Frieden dahin, bis der blutige Krieg von 1809 ausbrach. Eines schönen Tages zeigten sich die ersten Franzosen in Malborghet, und es begann der hartnäckige Kampf um die Feste, die der Henselbauer mit seinen dreihundert Kampfgenossen wie ein Löwe verteidigte. Da stieg die Wut der Franzosen, und sie sannen hin und her, wie sie sich in den Besitz der Festung setzen könnten. Endlich beschlossen sie, einen nächtlichen Angriff zu unternehmen, und zwar von der Nordseite aus, wo die Österreicher am ehesten zu fassen waren.

Der größte Teil der Feinde verließ daher den Markt und lagerte sich oberhalb der Festung, während eine kleinere Abteilung auf dem Hügel in der Nähe der Verteidiger Aufstellung nahm, um den Weg auszukundschaften. Als der alte Bauer die Absicht der Franzosen merkte, nahm er sich vor, den Österreichern ein Zeichen zu geben, aber sein Versuch mißlang. Er wurde getötet, und nun metzelten die wütenden Feinde alle Bewohner des Anwesens nieder. Nur das jüngste Söhnlein entfloh und suchte Schutz in der Kapelle, doch ein Franzose stürzte ihm nach und hieb ihm mit einem Streich das Haupt ab, daß das Blut weit spritzte und sogar die auf dem Altar stehende Heiligenstatue besudelte. Im gleichen Augenblick erhob sich in der Kapelle eine Donnerstimme, und die Unmenschen wurden alle zu Stein. Häuschen und Kapelle stürzten ein und bedeckten mit ihren Trümmern den früher so fruchtbaren Boden; das Standbild aber verschwand spurlos.

Seit dieser Zeit stehen die zu Stein erstarrten Franzosen am Ort ihres Verbrechens auf der Anhöhe, wo sie bis ans Ende der Tage bleiben werden. So manches alte Mütterlein erzählt, daß es schon oft die steinernen Franzosen miteinander reden gehört habe. Von den Schlachten, von ihrem großen Kaiser und den Lieben in der Heimat, die noch immer auf ihre Rückkehr warten. Solche Gespräche sollen besonders am Weihnachtsabend zu vernehmen sein.


Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten. — 6. Auflage, Graz 1944