DER LANTSCHNIG

Im Norden des Pfarrdorfes St. Ulrich bei Feldkirchen (nordöstlich vom Ossiachersee in Kärnten) liegt der Lantschnig. Der steht für sich ganz allein da und ist auch nicht von Menschen bewohnt. Der Lantschnig ist unermeßlich viel wert. Man könnte aus dem Gold, das im Berge ist, eine goldene Kette machen und könnte sie rundherum um den Berg legen.

Am Lantschnig ist ein "verwunschenes" Schloß. Einmal gingen zwei Mädchen und ein Knabe auf den Berg hinauf. Auf einmal standen sie vor einem Schloß. Nicht weit von ihnen stand eine weiße Frau, und beim Tore sahen sie einen Hund. Die Frau lud die Kinder ein, in das Schloß zu kommmen, sie trug ihnen aber auf, recht achtzugeben und den Hund nicht zu stoßen.

Voll Neugierde gingen die Kinder mit der weißen Frau in das Schloß. Da sahen sie drei Haufen Bohnen liegen. Die Frau führte sie hinzu und füllte dem Knaben mit den Bohnen den Hut ganz voll, und den beiden Mädchen füllte sie die Schürzen. Dann sagte sie zu allen dreien, sie mögen nur die Bohnen nach Hause tragen.

Als die Kinder fortgingen, trug sie ihnen wiederum streng auf, den Hund auf der Schwelle ja nicht zu stoßen. Die zwei Mädchen gingen an dem Hund vorbei, ohne ihm etwas zuleide zu tun. Aber der Knabe gab ihm beim Vorübergehen einen Stoß. Plötzlich erscholl ein schreckliches Gepolter, und das ganze Schloß war verschwunden.

Die Kinder hörten nur das Heulen des Hundes und die Stimme der Frau, die ihnen zurief, sie wären bestimmt gewesen, sie selber und das ganze Schloß zu entzaubern, wenn sie ihr gefolgt und den Hund nicht gestoßen hätten. Nun müsse sie wieder lange warten.

Ein Vogel werde mit einem Nußkern im Schnabel vorbeifliegen, den werde er fallen lassen. Aus dem Kern werde ein Baum wachsen, und das Kind, das in der Wiege liegen werde, die aus dem Holz dieses Baumes gemacht sei, das werde erst wieder imstande sein, sie und das Schloß zu entzaubern.

Die Kinder gingen nach Hause, und als sie dort ankamen, wollten sie der Mutter die Bohnen zeigen. Da waren die Schürzen der Mädchen mit Talern gefüllt, der Hut des Knaben war aber voll Würmer. Der Nußbaum, aus dem die Wiege gezimmert werden soll, steht noch jetzt am Lantschnig.

Bei einem kleinen Haus in St. Martin bei Sittich im Glantale (Kärnten) ging einmal eine Kuh verloren. Der Keuschler, dem sie gehörte, ging im frischen Schnee ihrer Fährte nach, und sie führte ihn auf den Lantschnig. Aber auf einmal hörte die Spur auf, gerade vor einer Felswand. Der Keuschler suchte und suchte, aber er konnte die Spur nicht mehr finden.

Da stand mit einem Mal ein kleines Mandl vor ihm. Er fragte es, wo die Kuh hingekommen sei. Sie müsse da sein, weil die Spur bis daher führe und auf einmal hier aufhöre. Das Mandl sagte: "Die Kuh habe ich. Ich habe lang gesucht und keine rechte gefunden, die da aber hat mir gepaßt, weil sie am Neusonntag (Sonntag, an dem Neumond ist) geboren ist. Ich werde für die Kuh schon zahlen, wie es recht ist."

Das Mandl verschwand, aber es kam gleich wieder und zahlte dem Keuschler den Preis, den er für die Kuh verlangte.


Quelle: Götter- und Heldensagen, Genf 1996, Seite 628