DER KEDNTUMPF

Der Kedntumpf ist ein Wasserbecken, das der Krumbach, östlich von der Koralpe an der kärntisch-steirischen Grenze, mit der Zeit im Felsen ausgehöhlt hat. Er schießt hoch herunter, daß es rauscht wie bei einen Donnerwetter. Was man hineinwirft, kommt wieder zurück, und deshalb glauben die Leute, daß das Wasser nichts leidet, nicht einmal einen Stein oder sonst etwas, und alles wieder hinauswirft. Oft haben Leute in dem Tumpfe einen Fisch gesehen, so groß wie eine Strohgarbe, aber niemand hat sich getraut, ihn zu fangen.

Einmal fischte ein Bursche an einem Sonntagvormittag im Bach und kam auch zum Kedntumpf. Er hielt die Angelschnur hinein, aber kaum hatte er das getan, so sprang ein Fisch aus dem Wasser heraus, der hatte lange Ohren und Augen, wie sie der Bursche noch nie bei einem Tiere gesehen hatte. Da bekam er eine Heidenangst und lief auf und davon. Aber das Tier war hinter ihm her, und er entkam nur mit Mühe über die Felsen hinauf, obwohl er zur selben Zeit noch flink war.

Der Kednbauer hatte eine Tochter, die war dreizehn Jahre alt und hatte ein schreckliches Laster: Sie fluchte sehr viel. Sie hütete die Schafe ihres Vaters und trieb sie am liebsten in die Nähe des Tumpfes, weil sie dort gar so gerne blieben. Einmal kam das Mädchen gar nicht nach Hause. Man glaubte, die Schafe hätten sich verlaufen, und sie traue sich nicht heim. Als sie aber am nächsten Tage auch nicht kam, ging man sie suchen; man fand aber nur die Schafe, die auch in der Nähe des Tumpfes ruhig weideten, das Mädchen aber fand man nicht. Man suchte und fragte, aber niemand hatte von ihr etwas gesehen oder gehört.

So vergingen sieben Jahre. Da kam auf einmal die Tochter wieder, sie hatte aber einen langen Strick um den Hals. Sie habe damals in der Nähe des Tumpfes auf einem Felsen gespielt, so erzählte sie, da sei aus dem Wasser plötzlich der Wassermann gekommen und habe sie mit in den Tumpf genommen. Die ganze Zeit habe sie da unten zugebracht, jetzt aber habe sie es nicht mehr ausgehalten und habe ihn so lange gebeten, sie noch einmal nach Hause zu lassen, bis er einwilligte. Den Strick aber habe er ihr um den Hals gegeben, und wenn er das erstemal zupfe, müsse sie über die Schwelle sein, beim zweitenmal aber über den Triftzaun.

Jetzt fiel sie ihrer Mutter um den Hals und bat sie, sie möchte ihr doch helfen, daß sie nicht mehr zurückmüsse, es sei gar zu schrecklich im Wasser unten. Die Mutter machte nun den Strick los und band ihn um einen Nußbaum, der im Hofe stand und wohl so dick war wie ein Faß. Die Tochter aber gab sie in den Stall zu einer kohlschwarzen Sau, denn da konnte der Wassermann nicht hinein. Als es nun das erste Mal zupfte, merkte man noch nicht viel; beim zweiten Mal bewegte sich schon der Wipfel des Baumes, beim dritten Mal aber riß es ihn um, wie wenn es nur ein Zaunstecken gewesen wäre.

In der Nacht kam der Wassermann selber, und da ging es so schrecklich zu, daß die Leute glaubten, alles gehe zugrunde. Als er aber sah, daß er nirgends hineinkonnte, warf er ein und ein halbes Kind beim "Rauchfenster" hinein und verschwand. Knietief war um den Stall alles ausgetreten, aber hinein war er doch nicht gekommen.


Quelle: Götter- und Heldensagen, Genf 1996, Seite 598