HEMMA VON GURK

Nach den vielen und tief verwundenden Schlägen, welche Hemma getroffen und sie des Gatten und der Kinder beraubt hatten, dachte die gottergebene Frau nicht mehr an Irdisches. Als fromme Witwe lebte sie einige Jahre zu Gurkhofen in stiller Einsamkeit, jeden Tag mit Wohltaten bezeichnend. Der schöne Geist der damaligen Zeit, da man den Verlust häuslichen Glückes nicht durch weltliche Genüsse und Freuden zu ersetzen pflegte, bestimmte Hemma, zwei Klöster und eine Kirche zu bauen. Nach deren Vollendung kam auf den Ruf der salzburgische Erzbischof Balduin nach Gurk und brachte einige Klosterfrauen und die Äbtissin Ida aus dem Kloster am Nonnberg zu Salzburg mit sich, um sie in die Wohnstätten einzuführen. Hemma selbst legte, von siebzig Jungfrauen umgeben, das feierliche Gelübde ab, das aus einer überreichen gräflichen Herrin eine demütige unterworfene Klosterfrau machte. Nur drei Jahre waren der edlen Stifterin noch beschieden; im Frühling 1045 verfiel sie in eine schwere Krankheit, die ihr den ersehnten Tod brachte.

Von dem, was die selige Hemma erbaute, ist außer dem prächtigen Dom nichts mehr zu sehen; denn das jetzige schloßartige Stiftsgebäude gehört einer späteren Zeit an. Der Dom besteht aus drei Abteilungen: der Vorhalle und den zwei Türmen, dann der Kirche und der Gruft oder Krypta. Zu letzterer gelangen wir auf zwei geräumigen Steintreppen hinab. Sie bildet eine eigene, von 100 Säulen und sechs Pfeilern getragene Kirche.

Dort zeigt man aus dem Nachlaß' Hemmas einen Ring und ein Halsgeschmeide aus Rauchtopas, Zeichen der Witwentrauer. In der Gruft zeigt man ferner den Hemmasitz, einen ausgehöhlten Serpentinstein, auf dem Hemma saß, wenn sie die Arbeitsleute beteilte. Die Sage läßt sie bei dieser Gelegenheit jenen von ihnen, die mit ihrem Lohn unzufrieden waren, die volle Börse vorhalten, und sieh! es bekam jeder, wenn er auch noch so gierig Zugriff, nur das, was er verdiente. Noch heute pflegen Besucher der Gruft sich auf den Hemmastein zu setzen und dabei recht lebhaft um die Erfüllung eines Wunsches zu bitten. Eine solche Bitte soll, vorausgesetzt, daß sie nicht sündhaft ist, der Erhörung gewiß sein.


Quelle: Franz Pehr, Kärntner Sagen. — Klagenfurt 1913